Geschichten:Eichsteiner auf Reisen
Vorlage:Handlungsort ist::Garetien, im Rondra 1042 BF – irgendwo auf der Straße
„… und ich glaube immer noch, dass das gar keine so gute Idee ist. Freiwillig in die Dämonenbrache? Da hättest du ja auch in Tobrien bleiben können.“, sagte der etwas Kleinere der beiden Reiter gerade zu dem Reisenden neben ihm. Seine Kleidung wies ihn als einen Geweihten des Sonnengottes aus, ein Kundiger konnte aufgrund der zwei Sphärenkugeln erkennen, dass er einen Luminifer, einen Erzgeweihten vor sich hatte. Der Mann hatte sicher schon einige Götterläufe gesehen und mochte Ende Dreißig sein. Das schon von einigen grauen Strähnen durchzogene Haupt- und Barthaar war ordentlich frisiert, das leicht gebräunte Gesicht zeugte davon, dass dieser Vertreter der Praioskirche wohl nicht nur innerhalb der Tempelmauern unterwegs war. Sein wacher Blick wanderte zwischen dem vor ihnen liegenden Weg und der Umgebung, während er sich mit dem Mitreisenden unterhielt.
Selbiger, ein kräftiger großer Mann Anfang der Vierzig, hatte ganz ähnliche Gesichtszüge wie der Geweihte und auch seine Frisur war tadellos. Er war vermutlich ein Kämpfer, entweder ein Krieger, eher aber ein Ritter. Seine für einen Adeligen standesgemäße Kleidung war ebenso wie die Kleidung seines Begleiters von guter Qualität, doch von den Strapazen der sommerlichen Reise gezeichnet. Seine Augen waren ähnlich wachsam auf die Umgebung gerichtet, doch lag ein leicht wehmütiger Glanz in seinem Blick. „Du hättest nicht unbedingt mitgehen müssen, ich habe dich nicht gezwungen“, erwiderte er leicht missmutig.
„Du nicht“, antwortete der Geweihte, „aber du erinnerst dich sicher noch - wie ich - an die Worte unserer ehrwürdigen Mutter zu diesem Thema“.
„‘In der Dämonenbrache kannst du einen rechtschaffenden Praiosgeweihten sicher gut gebrauchen, Aldur. Die Aufgabe wird gewiss nicht einfach, also geh und nimm deinen Bruder unter deine Fittiche. Dann seid ihr schon zu zweit und du hast jemanden, auf den du dich verlassen kannst. Und Wilbur, du kannst dabei auch zeigen, was in dir steckt unter der schützenden Obhut deines Bruders.‘“, gab der Andere zurück und beide lächelten schief. Aldur war sich immer noch nicht ganz sicher, wer den nun hier auf wen aufpassen sollte.
„Ja. Es ist ja nicht so, dass ich nicht die ganzen letzten Jahre auf Reisen war und sicher schon mehr gesehen habe als Mutter selbst, aber du weißt ja...“
„‘Ihr seid und bleibt nun mal meine Söhne!‘“, vervollständigte der andere den typischen Satz ihrer Mutter. „Ja, wohl war. Und seit Vaters Tod hat ihr Beschützerinstinkt noch zugenommen. Ich wundere mich ja, dass sie nicht auch noch mitkommen wollte, um auf uns aufzupassen.“
„Gut, dass sie – aufgrund ihres Alters – das Reisen nicht mehr so schätzt und im Hüterkloster eine neue Heimat gefunden hat, sonst hätte sie uns gewiss begleitet. Stell dir das mal vor? Gut kochen kann sie, da gibt es keine Zweifel, aber stell dir doch mal vor, wie kämen auf Schloss Sonnentor in Begleitung unserer Mutter an? Ein Ritter und ein Geweihter, die von ihrer Mutter begleitet werden, weil sie sie beschützen muss. Nein, also beim besten Willen, das kann und will ich mir nicht vorstellen! Gut, dass sie nun auf dem Greifenpass ihren Frieden wiedergefunden hat.“
„Ja, sie hat ihren Frieden wiedergefunden...“, murmelte Aldur mit einem Hauch von Neid in der Stimme und fügte im Geist hinzu: … den ich noch suche, egal wohin ich gehe...
„Da vorne ist ein Gasthaus.“, riss ihn sein Bruder aus seinen Gedanken, „Sollen wir Rast machen?“
Aldur sah auf. „Hm… ist das ein Schwein da auf der Tafel? Ich kann die Schrift noch nicht lesen. Wenn es ein Keiler ist und noch dazu in schwarz, dann sollten wir weiter reiten. Ich habe da nur wenig Gutes gehört.“
„Da magst du Recht haben. Wenn mich nicht alles täuscht, dann sollten wir gegen Abend Weyring erreichen. Da gibt es sicher auch eine Herberge, in der wir Gastung finden können und deren Keller überschaubar das enthält, was man erwartet – Bierfässer und leckere Vorräte.“
So ritt die kleine Gruppe weiter. Kurz grüßte man, als vor der seltsamen Herberge, die tatsächlich einen schwarzen Keiler im Wirtsschild führte, eine Gruppe offensichtlicher Abenteurer von ihren Pferden stieg.
„War das da gerade eben tatsächlich ein Elf und ein Zwerg?“, fragte Aldur sichtlich irritiert.
Da lachte Wilbur: „Und als nächstes behauptest du noch, es sei auch ein Geweihter und ein Magier unter ihnen gewesen...“
Gegen Abend kam tatsächlich eine größere Ansiedlung in Sicht – Weyring. Die Reisenden hielten Ausschau nach einem Gasthaus, denn es hatte sich zugezogen und dicke Wolken verdeckten den Blick auf die Praiosscheibe, so dass es recht finster wurde.
„Fast könnte man meinen, da liegt ein Schatten auf Travias Haus.“, murmelte Wilbur, als sie an dem Tempel der gütigen Mutter vorbeikamen.
„Ah, hervorragend.“, rief Aldur aus, als sie kurze Zeit später tatsächlich ein gastliches Haus sahen und sein Bauch grummelte dabei gar bedenklich. Der „Rote Ochse“ würde sicher ein gutes Nachtlager bieten.
„Ich habe Hunger, ich könnte glatt mehr als 1000 Oger verputzen.“
„Dann pass nur auf, dass dir nicht noch ein Rotpelz dazwischen rutscht, das fusselt beim Essen.“
Kurze Zeit später schon saßen die beiden Brüder an einem der grob gehauenen Tische, der aufgrund des Besuches der hohen Herrschaften mit einem behelfsmäßigen Tischtuch – manche würden wohl auch Bettlaken dazu sagen – versehen worden war. Die – zugegeben überaus hübsche – Schankmaid hatte auf die Schnelle ein paar Blumen draußen gepflückt, die sie notdürftig in einem zur Vase umfunktionierten Tonbecher auf dem Tuch platzierte und den beiden dann ihr Abendmahl – ein guter Braten, dazu ein weniger gutes Bier – vorsetzte. Beide ernteten irritierte Blicke, als sie dann, ganz Koscher, ihre Lieblingswürzmischung hervorholten, um das Essen ordentlich zu würzen, wie es im Kosch gute alte Tradition war. Aber das man hier wohl nicht im Kosch war, merkten sie am Bier.
„Wenn das hier der Braugreve verkosten würde, dann...“, murmelte Wilbur, der ein wenig den Mund verzog.
„Ja, nach dem Koscher Reinheitsgebot ist das eher nicht gebraut. Der Braumeister hat – so er ihn überhaupt benutzt hat – sehr am Hopfen gespart.“
„Es könnte aber auch sein, dass er das Malz nur gering gedarrt hat. Allgemein scheint dem Bräu Würze zu fehlen.“
„Das oder aber er hat das Bräu tatsächlich verdünnt.“
So ließen sich die beiden ihr Essen schmecken und fabulierten über die Feinheiten des Brauhandwerkes. Und es war nur wenige Schank später, als man sich einig war, dass daheim die Braukunst immer noch am besten und man sich so oder so dringend - wo immer es einen auch hin verschlagen möge - einen koscher Braumeister zu sich holen sollte, damit ein Schank auch ein Schank sei und nicht wie im Außerkosch nur ein Maß. Hernach dauerte es nicht mehr allzu lange, bis beide wohlverdient im Schlafe den Borrewald rodeten, auf dass es wahren Andergastern eine Freude gewesen wäre.
Im Laufen sah er sich um. Die schwere Rüstung machte unheimlichen Lärm, der Helm blockierte die freie Sicht. Hinter und neben sich die Getreuen. Sie alle rannten die Straße entlang, die Pferde hatten sie zurückgelassen. Das Straßengewirr bot zu wenig Platz für sie.. Schweiß lief ihm in Stömen den Rücken entlang. Feindkontakt! Die gegnerischen Truppen hatten sich zu beiden Seiten der Straße versteckt. Griffen jetzt die Flanke an. Bevor er reagieren konnte, lagen die ersten am Boden. Ob nur verwundet oder tot – keine Zeit, das jetzt zu prüfen.
Stahl traf auf Stahl. Ein lautes Dröhnen, die Hand zitterte von der Kraft des gegnerischen Schlages. Pariert. Gegenangriff. Ein Hauch zu wenig Deckung, ein toter Gegner mehr. Eine fließende Bewegung. Auch den Angriff des nächsten Gegners ausgewichen. Gegenschlag. Gegentod.
Sollten sie doch alle in die Niederhöllen fahren, wo sie hingehörten, diese Verräter und Paktierer! Zu viel hatten sie ihm genommen. Kein Mitleid erfüllte sein Herz.
Ein dritter Gegner ging tot zu Boden. Seine Klinge blockte erneut. Die Abläufe mechanisch, routiniert, tausendfach geübt.
Doch jeder Kampf einzigartig. Sollten sie ihn doch holen, dann hätte er all das hinter sich. Wenn nur seine Seele ihren Weg nach Alveran fände, dann wäre er wieder vereint mit seinen Liebsten.
Ein Schlag! Sein Kopf dröhnte. Die letzte Ausweichbewegung fast zu kurz. Zu abgelenkt. Der wuchtige Streitkolben hatte den Helm erwischt. Doch nur gestreift. Sein Schwert hielt erneut Ernte.
Dann: lautes Brüllen! Chaos hinter ihm! Als er sich umdrehte, sah er das Biest. Viele Schritt groß, das Fell unnatürlich. Der Rachen aufgerissen, ätzender Speichel tropfte zu Boden. Die mächtigen Kiefer schlossen sich um den Kopf eines seiner Getreuen. Lautes Knacken, als die Knochen brachen. Aldur eilte hinüber, zog dem Biest seinen Schild quer durch die hässliche Dämonenfratze. Reichen tat dies natürlich nicht. Doch seine Seele würden sie nicht bekommen. Aldur hieb auf das Biest ein. Er musste Zeit erkaufen, das Ding aufhalten. Bald schon fühlte er sich in die Enge getrieben. Die Schläge, energisch geführt, verloren langsam an Kraft. Das Ungeheuer hingegen schien stetig stärker zu werden. Wieder ein Prankenhieb. Wieder pariert, doch knapp nur. Der nächste fegte das Schwert hinweg. Auch der Schild war bald verloren. Ein Sturz, dann ein gewaltiges, gieriges Maul über ihm…
Mit einem leiderfüllten Stöhnen schreckte Aldur auf. Er brauchte einen Moment um zu begreifen, dass er nicht in Mendena war. Sein Leibhemd, aber auch das Bett waren verschwitzt, das Hemd klebte am Körper. Er zog es aus und war froh, dass er noch am Abend um frisches Wasser gebeten hatte. Er wusch sich, genoss das kühle Nass auf der Haut, beruhigte sich wieder. Doch Schlaf wollte sich in dieser Nacht nicht mehr einstellen.
Einsam stand er am Fenster seines Zimmers, blickte hinaus auf die nächtliche Landschaft und hing seinen Gedanken nach, bis schließlich der Morgen sein erstes Licht über Felder und Flure legte und diese in einen mystischen Schleier tauchte. Morgenröte. Meine Morgenröte, so hatte er sie stets genannt. Und das Morgenrot erinnert ihn schmerzlich an sie – jeden einzelnen Praioslauf.
Erst als sein Bruder ihn zum Sonnengruß abholte, verließ er seine Position am Fenster, um diesen gemeinsam mit seinem Bruder im Hof des Gasthofes zu begehen.
Sod aureus in Alveran stat
Coelos semper illuminat
Arx in aeternum
Contra infernum
Vigilat
Sein Bruder hatte schon immer eine sehr schöne Singstimme gehabt, die durch den Bass von Aldur angenehm untermalt wurde. Wenn sie unter sich waren, sangen sie oft in Bosparano und unterhielten sich bisweilen auch in dieser Sprache. Ein Andenken an die Kindheit, in der sie mit dieser Unsitte laut den Aussagen ihrer Mutter einzig ihr Kindermädchen ärgern wollten. Hier im Gasthof sorgte ihr Gesang für Irritation, doch blieben Wilbur und er dadurch unbeeindruckt. Das Frühstück fiel reichhaltig aus, denn für eine Reise benötigt man ein solides Fundament im Bauch.
Dann traten sie den vorerst letzten Teil ihrer Reise nach Schloss Sonnentor an.
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