Benutzer:Treumunde/Briefspiel
Briefspiel Ina
In den Zimmern der Villa OX
Zirkel der heulenden Finsternis
Aus eins mach' zwei
gegeben Ingerimm 1042 BF, Villa Ox, Kaiserstadt Gareth
wie ich Robans Berichten entnahm, blieb Deine Suche nach der Rahjageweihten Rahjalina von Fuchswalden erfolglos. Somit muss ich davon ausgehen, dass ihre Knochen aus dem Beschwörungsfeld geborgen wurden und sie nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Was das Junkertum Fuchswalden betrifft, habe ich nun eine Entscheidung getroffen. Da Fuchswalden das größte Junkertum in der Baronie Bärenau ist, habe ich mich entschlossen das Junkertum in zwei Lehen zu unterteilen.
Das erste Lehen behält den Namen Fuchswalden und umfasst die Herrschaften Nebelauen und Clarentia, sowie den Marktflecken Fuchswalden. Stammsitz wird die Turmhügelburg Fuchsbau.
Das zweite Lehen erhält den Namen Bronstein und ihm zugewiesen werden die Herrschaften Wulfenhag und Eslamsberge, sowie die Dörfer Haselbusch und Bronstein. Stammsitz wird der Gutshof Bronnen.
Beide Lehen werde ich als Junkertum belehnen. Rohaja wird mir als Erbin folgen, so ich einst in ferner Zukunft als Baronin abtreten sollte. Klein-Leobrecht wird in die Familie Ruchin heiraten und Trisdhan ist nach der Belehnung seiner Großmutter mit der Baronie Wasserburg, hinter seinem Vater, in der Erbfolge angesiedelt.
Daher bestimme ich folgendes:
Hiermit verfüge ich, dass Ophelia Korhilda von Ochs Junkerin von Fuchswalden wird und ihre jüngere Schwester Lechmin Elea von Ochs belehne ich mit dem Junkertum Bronstein.
Die Erstgenannte gehört dem Klerus der Perainekirche an, daher werde ich dem Junkersgut einen Vogt zuteilen. Ich bestalle Edala von Hartwalden-Sturmfels mit dieser Aufgabe.
Und auch für das Junkertum Bronstein ernenne ich einen Vogt, da Lechmin ein magisches Erbe in sich trägt. Diese Aufgabe wird Rondril von Bärenau-Pandlaril übernehmen.
Um den Bund mit dem Bärenauer Niederadel zu stärken, werde ich im Zuge der Belehnungen meiner Töchter, deren Verlobungen bekannt geben. Ophelia wird mit dem Edlen Thiolan von Ibelstein verlobt und Lechmin mit dem Edlen Welf von Krolock.
So geschehe es, in Praios Namen!
Iralda von Ochs
Wolfaran und Leonora
Selbst ist das Kind
Erlans gutes Herz
von Jonas
Herzogtum Nordmarken, Elenvina, Mitte Ingerim 1042 BF
Erlan von Sindelsaum war nach Elenvina gekommen um einige geschäftliche Dinge zu regeln. Gemeinsam mit seiner Knappin Leonora von Ochs und einigen weiteren Bediensteten hatte er eine angenehme Flussschifffahrt den Großen Fluss herunter unternommen.
Kaum in Elenvina angekommen, hatte ihn aber auch schon bald Leonoras Bruder, Wolfaran und seines Zeichens Kanzleirat für Eich- und Wägwesen zu einem Gespräch gebeten. Der beiden Mutter ging es nicht gut und er, Wolfaran wollte nach Perricum um sich um sie zu kümmern. Sie, Leonora sollte seinen Posten in der Kanzlei übernehmen um ihm, Wolfaran den Gang nach Perricum zu ermöglichen.
Ganz schön ambitioniert die Ochsen. Zu all dem benötigten sie freilich ihn, Erlan, denn Leonora war noch immer seine Knappin, aber mittlerweile immerhin sieben Jahren in seinen Diensten. Er hatte eigentlich vorgehabt das Mädchen noch eine Weile an seiner Seite zu behalten, denn sie war ihm ans Herz gewachsen und hatte es in letzter Zeit nicht leicht gehabt. Sie hatte einen Mann heiraten müssen, mit dem sie nicht auskam und hatte ihr Neugeborenes Kind kurz nach der Entbindung zu ihm schicken müssen.
Erlan war also geneigt das Anliegen der Ochsen abzulehnen, denn ein paar Jahre im ruhigen Hügelland würden ihr sicher gut tun. Er bat sich also Bedenkzeit aus. Beim herausgehen lief ihm ein junger Spund in die Arme, der sich als Alrik Herdan von Ruchin vorstellte und Leonora anlächelte als ob sie die schönste Frau auf dem Derenrund sei und auch sie grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd. War das der gleiche Alrik Herdan der ihr immer wieder geschrieben hatte? Erlan ging langsam ein Licht auf. Daher wehte also der Wind.
Vielleicht war Elenvina also doch nicht so schlecht für sie. Es war wohl Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen. Jetzt galt es also nur noch einen Rondrakaplan zu finden.
In Rahjas Armen
Herzogtum Nordmarken, Elenvina, Mitte Ingerim 1042 BF
Mit jeder Zeile, die sie Alrik Herdan schrieb, stellte sie sich vor, wie die beiden von Rahjas Rausch mitgerissen werden. In Wirklichkeit war es noch viel aufregender, als sie es sich ausmalen konnte. Erschöpft, aber glückselig, lag Leonora eng angeschmiegt an ihrem Liebsten. So fühlte es sich also an, wenn Liebe das Rahjaspiel begleitete.
Alrik streichelte sie und genoss die Umarmung. "Ich kann es immer noch nicht glauben, bitte kneif mich."
Leonora kitzelte ihn stattdessen. "Ich bin so glücklich, kannst Du Dir vorstellen, wir beide hier in Elenvina." Er umgarnte sie mit wildesten Küssen, die sie nur zugern erwiderte.
Eng aneinander gekuschelt schwelgten sie in der Zweisamkeit.
"Ich bin so froh, dass unsere Reichsrätin dein Potential entdeckt hat und Du Deinem Bruder folgen kannst" sinnierte Alrik.
"Sie ist wahrlich eine fürsorgliche Frau aus hohem Hause. Aber noch viel mehr bin ich meinem Schwertvater dankbar. Ich bin so froh, dass beide Wolfarans und meine Not anerkannt haben und gewillt waren uns zu helfen."
"Wolfaran wird Deiner Mutter gut tun, er wird auf sie aufpassen und ihr die Stütze sein, die sie braucht."
"Ja, Liebster, dass erhoffen wir uns beide. So sehr ich mich freue, es schwingt auch Wehmut mit dieser Entscheidung."
Alrik war leicht irritiert. "Magst Du es nicht bei mir zu sein?"
"Ach Quatsch. Bei Dir zu sein, ist alles was ich mir gewünscht habe. Ich bin traurig, dass ich den Kosch verlassen muss. In Sindelsaum war es so heimelig. Ich fühlte mich dort pudelwohl. So behütet und fernab der garetischen Intrigen. Ich werde Erlan und seine Frau Alvide vermissen, verstehst Du. Sie sind wie Eltern für mich, ich habe sie sehr gern."
"Ich weiß was Du meinst. Wolfaran, mein Schwertvater, ist wie ein Bruder für mich. Ich kann das nachempfinden."
"Meinem Schwertvater ist es auch nicht leicht gefallen mich gehen zu lassen. Ich werde ihm ewig dankbar sein, dass er meinem Wunsch entsprochen hat. Das Hügelhaus werde ich vermissen. Die duftenden Kekse. Die Bibliothek, in der ich so gerne geschmökert habe. Erlan ist so belesen und die Unterhaltungen mit ihm haben mich immer mit Freude erfüllt. Er hat mich gut erzogen und wird mir immer ein großes Vorbild sein."
"Der Kosch ist nicht weit weg, Du wirst ihn besuchen können."
"Alrik, das ist nicht das Gleiche. Die Jahre im Kosch waren wunderschön und werden immer einen großen Platz in meinem Herzen einnehmen."
Alrik unterbrach Leonoras Redeschwall mit lustvollen Küssen. Zärtlich ließ sich die junge Frau auf den Körper des Ritters gleiten und sie gaben sich Rahjas diesseitigem Paradies hin.
Kälbchen werden flügge
Villa Ox, Kaiserstadt Gareth, Mitte Ingerim 1042 BF
Wolfaran wartete in der Villa Ox auf seinen Vater. Er wusste, dass er auf dem Weg nach Gareth war und wollte ihn unbedingt sprechen. Er wollte es ihm als Ersten sagen, obwohl Wolfaran befürchtete, dass seinem Vater die Information schon zugetragen wurde.
Er wies die Bediensteten an ihnen eine kalte Schlachtplatte zuzubereiten und das Schlunder Wiesenschlösschen kalt stellen. Bei Fleisch und Bier ließ sich die Neuerung vielleicht besser überbringen.
Seine Frau verbrachte den Tag im Studienseminar und die Kinder waren bereits zu Bett gegangen. Wolfaran saß im großen Kaminzimmer und las den aktuellen Märker Herold, als das Öffnen der großen Eichentür am Haupteingang seinen Vater ankündigte. Er atmete für sich tief durch und legte sich seine Worte zurecht.
Wolfaran hörte mit einem Ohr, dass die Bedientsten dem Reichsvogt berichteten, dass sein Sohn auf ihn warten würde. Die innerliche Anspannung im jungen Ochsen stieg an, als der Reichsvogt der Efferdstränen das Zimmer betrat. Die bissigen Blicke Leobrechts, die er seinem Sohn zu Teil werden ließ, verkündeten diesem schon, dass sein Vater bereits bestens informiert zu sein schien.
Dennoch Wolfaran hatte sich vorgenommen, die Sachlage ruhig zu besprechen - nicht zu schreien und nicht zu wüten. Wolfaran blieb sitzen, öffnete zwei Biere und hielt eines seinem Vater auffordernd hin. Leobrecht nahm erst ein Mal einen tiefen Schluck Wiesenschlösschen und setzte sich in den Ohrensessel neben seinen Sohn, sein Bier prostete er ihm zu - wiederum auffordernd, dass Wolfaran sagen sollte, weshalb er den weiten Weg auf sich genommen hatte.
Schweigen - minutenlange Stille - hüllte den Raum und beide tranken den kühlen Gerstensaft.
Wolfaran ergriff als erster das Wort. "Vater, ich muss Dir etwas mitteilen. Ich habe es mir reiflich überlegt, sowie gut durchdacht und die Entscheidung getroffen als Kanzleirat für Eich- und Wägewesen zurückzutreten. Die Reichsrätin hat meinem Wunsch entsprochen und mein Rücktrittsgesuch angenommen."
Leobrecht nahm besser noch einen Schluck und räusperte sich. "Es wurde mir zugetragen." sagte er knapp.
"Ich weiß, es war Dir wichtig einen Ochs in der Reichskanzlei zu sehen." fuhr Wolfaran fort, bedacht und die Stimme gesenkt. "Daher konnte ich meine Reichsrätin Thalia von Eberstamm-Weidenhag von Leonora begeistern. Sie ist von ihrer herzhaften Art angetan und so ist es mir gelungen, sie davon zu überzeugen, dass meine kleine Schwester mir folgen wird. Erlan von Sindelsaum, dem ich von der Aufstiegsmöglichkeit berichtete, erteilte Leo daraufhin den Rittschlag. Sie wäre weit genug und er hätte ihr alles beigebracht, was sie für eine standesgemäßen Ritterin benötigen würde."
Wolfaran konnte aus Leobrechts Mimik entnehmen, dass ihm das Vorgehen überhaupt nicht passte. Er bemühte sich, wie sein Sohn, das ganze emotionslos zu diskutieren. "Leo ist noch keine zwanzig Götterläufe alt, sie sollte studieren und ans Rechtsseminar gehen. Du wusstest, dass das meine Pläne mit ihr waren. Sie ist noch zu jung und unerfahren."
"Vater, ich weiß, dass Du sie weiter ausbilden lassen wolltest. Zu jung ist sie nicht, ich war kein Jahr älter, als mir die Stellung des Kanzleirates übertragen wurde. Leo ist ein kluges Mädchen, nein - eine kluge Frau. Sie hat bisher alles getan, was Du von ihr verlangt hast. Sie hat geheiratet - einen Mann den sich nicht ausstehen kann. Sie hat einen Erben geboren, den sie nicht zu Gesicht bekommt, da er beim Vater aufwächst. Leo und ich haben beschlossen, dass es an der Zeit ist, dass wir unseres eigenen Glückes Schmied sind."
"Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Kleine viel für die Familie gegeben hat und glaub mir, es schmerzt mich zu sehen, dass ihre Ehe unglücklich verläuft. Du warst damals auch schon zu jung, dass muss ich zugeben. Jedoch war die Situation damals anders, die Gelegenheit war da und, so wie mir meine Quellen in der Kanzlei berichten, hast Du Dich nicht schlecht geschlagen. Was hätte aus Dir werden können. Du hättest groß Karriere in der Reichsverwaltung machen können, weiter kommen, als ich es dort je geschafft habe."
"Ich habe Hartwaldener Blut in mir - ich kann Verwaltung" Wolfaran musste beim dem Ausspruch schmunzeln, ebenso sein Vater. "Aber ich bin noch zu jung um mein lebenlang in einer Amtsstube zu sitzen. Hinzu kommt, dass Leonora und ich uns durchaus dabei etwas gedacht haben, auch wenn es für Dich überstürzt aussieht."
"Na dann erzähl mal, was Eure Hintergedanken sind, Sohn! Ich muss Dir aus meiner Sicht auf jeden Fall mitteilen, dass es mir sehr missfällt, dass ihre ein solches Wechselspiel ohne meine Zustimmung durchgeführt habt. Ihr untergrabt meine Stellung als Oberhaupt des Hauses." Leobrechts Ton wurde bissiger.
"Leo und ich, wir sorgen uns um Mutter." Allein die Namensnennung von Korhilda berührte den Reichsvogt sehr, auch wenn er seine Gefühle versuchte zu überspielen. "Wir haben Angst um sie. Die Fehde, das Attentat - dazu habe ich sie in Ongalosch in Gefahr gebracht. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und ich habe das große Bedürfnis sie zu schützen. Mutter braucht jemanden an ihrer Seite, jemandem den sie vertraut. Du bist zu weit weg, bitte versteh doch, wir wollen Dich nicht kränken, aber wir mussten diese Entscheidung so für uns fällen."
"Es ehrt Euch, dass ihr an Eure Mutter denkt. Ihr Wohlergehen liegt mir am Herzen. Dennoch euer Alleingang ist eine Rebellion gegen mich. Ihr untergrabt meine Position. Und das wissentlich. Wenn ihr mich als Vater und Oberhaupt anerkennen würdet, hättet ihr mich im Vorfeld gefragt. So wie es die Tradition uns lehrt."
Wolfaran ärgerte die Sichtweise seines Vatern und kommentierte zänkisch. "Vater, das ist nicht mehr die gute alte Retozeit Deiner Kindheit und auch nicht die glänzenden Jahre Hals. Die Welt ist dunkler geworden, aber Du siehst das in Deinem Alterstarrsinn garnicht. Nicht alles kann man über Tradition erklären."
"Alt das bin ich für Dich? Ein alter Greis, der nicht mehr weiß was er tut? Oder wie darf ich das interpretieren?" der Reichsvogt wurde langsam mürrisch.
Wolfaran hielt inne. Noch vor ein paar Jahren wäre er wie von der Maraske gestochen aufgesprungen und in eine Verteidigungshaltung gesprungen. Doch nein, er wollte sich beherrschen. Der junge Ochse trank noch einen Schluck und wies die Bediensteten an die Schlachtplatte zu bringen. Eigentlich sollten sie schon längst serviert worden sein, doch das Gesinde traute sich wohl nicht in das Kaminzimmer.
"Vater, nachdem Mutter mit Wasserburg belehnt wurde - ich weiß es missfällt Dir - bin ich zum Erbbaronet geworden. Wir beide wissen, dass für mich Vogt Stellen in den garetischen Landen nicht mehr möglich sind. Mutter ist ganz allein in Wasserburg. Ich habe mit Thimorn, ihrem Knappen geschrieben, ihr geht es nicht gut. Vater, Leo und ich haben wirklich Angst um sie. Ich sprach bei der Reichsrätin die Thematik an, bei einem unbedarften Plausch. Die alte Eberstammerin ist wahrlich eine fürsorgliche Frau und hatte ein offenes Ohr für meine Gedanken." Wolfaran war stolz auf sich, er hatte seine Stimmlage wieder beruhigt und sachlich weiterdiskutiert. "Was Leo angeht, sie wird nicht allein in der Kanzlei sein. Alrik Herdan wird dort als Assessor verbleiben und ihr eine Stütze sein."
Leobrecht brummte - irgendwas zwischen Missfallen und Verständnis. "Der Ruchin...." Gedanklich beendete er den Satz mit "...der will doch nur in das Bett meiner Tochter", das sprach er jedoch nicht aus.
"Alrik Herdan ist ein umsichtiger, junger Mann. Er wird auf Leo Acht geben und ihr helfen sich in der Reichskanzlei zurecht zu finden. Da bin ich mir sicher."
Leobrecht sagte nichts, trank lieber noch ein Schluck Bier und schmauste mit grimmigen Blick von der Schlachtplatte.
"Vater, sie mögen sich - sehr sogar. Leo hat Dir einen Erben geschenkt, damit Hordenberg in Ochsscher Hand bleibt. Sie hat ihre Pflicht erfüllt. Lass ihr bitte das Stück Glück und wir beide wissen, in Elenvina kann sie glücklich werden."
Leobrecht nickte zaghaft. Was sollte er kritisches zu ausserehelichen Verbindungen sagen, er der drei Bastarde mit der Liebe seines Lebens gezeugt hatte.
Die beiden Ochsen schienen sich mit der Situation arrangiert zu haben. Sie blieben zwar bei ihrern unterschiedlichen Ansichten, aber es machte dens Anschein, als könnten beide einander respektieren.
Kind unsteter Zeiten
Villa Ox, Kaiserstadt Gareth, Mitte Ingerim 1042 BF
Wolfaran stand vor dem Portrait seines Vaters. Gezeichnet wurde es im Götterlauf 1006 BF als Leobrecht von Ochs seine Stelle als Assessor in der Reichskanzlei für Handel und Wandel antrat. Wie auch ihm, verhalf ihnen hierbei Elea von Ruchin zur Anstellung.
Wie jung er da aussah, dachte Wolfaran. Nur ein paar Jahre älter, als er am heutigen Tage. Er betrachtete das Bild näher, es berührte ihn gegenwärtig mehr, als sonst. Obwohl er am Portrait schon etliche Male vorbeigegangen war.
Er sah seinem Vater so verdammt ähnlich. Als wäre er eine jüngere Kopie von ihm. Die gleichen Haare, die gleichen Augen – nur nicht ganz so stiernackig. Würde er sich noch einen prächtigen Kaiser-Alrik-Schnauzbart wachsen, wüsste man nicht, wessen Portrait man sich ansah. Aber genau da war der Unterschied. Der Vollbart oder Kinnbart, den Wolfaran sich wechselweise vom Bartscherer schneiden ließ, war auch als Sinnbild für die Verschiedenheit der Beiden zu sehen.
Sie waren sich ähnlich – im Aussehen, als auch im Wesen. Aber nur ähnlich, nicht gleich. Leobrecht stammte aus einer anderen Zeit, wurde strenger erzogen und wuchs dementsprechend anders auf.
Vielleicht war sein Vater obrigkeitshöriger als er. In der Reichskanzlei leistete Wolfaran sehr gute Dienste ab, gab Vorschläge, aber rebellierte nicht. Ganz anders war da sein Verhältnis zu seinem Vater. Er liebte ihn, sehr sogar. Er war ihm ein Vorbild, gewiss ein sehr Großes dabei. Die Jahre als Bastard schmerzten ihn immer noch, obwohl er mittlerweile fast zehn Götterläufe ein vollwertiges Mitglied des Hauses Ochs war. So ganz würde Wolfaran es seinem Vater nie verziehen können.
Die Leute sagen immer, sein Vater wäre fortschrittlich und weitsichtig. Vielleicht ist er das für jemanden, der aus der Retozeit stammt. Für Wolfaran jedoch nicht modern genug. Sie stammten aus einem angesehen Haus. Immer wieder predigte Leobrecht, fast gebetsmühlenartig, „die Kaiserin wird zu guter Letzt doch immer einen Ochsen auswählen, denn wir sind ihr immer treu ergeben“.
Pah! Diese Floskel. An ihm vorbei wurde weitaus unfähigere Adlige befördert und belehnt. Manchmal war die Zeit des Abwartens vorbei. Man musste das Heft selbst in die Hand nehmen. So wie seine Mutter es getan hatte. So wie er es jetzt getan hat, als er Leonora in die Reichskanzlei manövrierte.
Korhilda war für Wolfaran eine Heldin. So tugendhaft und mutig. Sie kämpfte in der Dritten Dämonenschlacht, sie war Vaters große Stütze am Arvepass, sie rang den Giganten nieder und stritt in der Wasserburger Fehde. Sie lebte gefährlich, ein ums andere Mal ist sie dem Raben entkommen, doch sie war so hingebungsvoll.
Mit aller Kraft und Mut ging sie die Probleme an. Offensiv, nicht defensiv, wie Vater. Sie war es die ihn in Ongalosch schützte. Ein dummes Abenteuer, wie er im Nachhinein feststellen musste. Dafür aber lehrreich. Er würde seine Handlungen besser abwägen und durchdenken.
Die Entscheidung Elenvina zu verlassen, war durchdacht, auch wenn Vater das anders sah. In gewisser Weise ehrte es Wolfaran sogar, dass Leobrecht ihn auf dem Weg zu höhreren Aufgaben sah. Dennoch für Wolfaran war die Zeit gekommen, seine Mutter zu unterstützen und sie zu schützen. Sie brauchte jemanden an ihrer Seite, jemandem dem sie vertraute. Da Vater zu weit weg wohnte, fiel die Aufgabe ihm zu – dem Ältesten, dem Erben.
Freidenker, Rebellen und Traditionalisten
Villa Ox, Kaiserstadt Gareth, Mitte Ingerim 1042 BF
Leobrecht ging nach dem Gespräch mit seinem Ältesten in sein Schlafgemach. Über eine Zwischentür erreichte er das Schlafgemach seines jüngsten Sohnes. Der kleine Etilian, das Nesthäkchen, welches ihm durch Tsas wundersame Schenkung noch zu Teil wurde.
Die Amme blickte kurz auf, verließ dann das Zimmer und ließ den Reichsvogt mit dem Kleinkind alleine. Leobrecht stand an der Wiege und sein Herz erwärmte sich, als er dem seelenruhig schlafenden Knaben zuschaute.
Etilian erinnerte ihn an Wolfaran, auch wenn sie sich nicht ähnlich sahen. Damals 1014 BF, als er in diesem Zimmer das Licht Deres erblickte. Seine geliebte Hilda, sie war selbst noch ein Kind, als sie die Früchte Tsas zum ersten Mal in sich trug. Er dachte an den ersten Anblick, das erste Mal, als er Wolfaran auf dem Arm hielt. Die kleinen Hände und Füße.
Er war so groß geworden, ein erwachsener Mann. Hatte er ihm als Kind zu viel durchgehen lassen? Hätte er strenger sein müssen? Fragen, die ihn seit jeher begleiteten. Dann dachte er an seinen Vater, den Tyrannen. Nein, so wollte er nicht sein. Er wollte seinen Kindern ein liebevoller Vater sein.
Liebevoll, schön und gut. War er zu weich?
Leobrecht wurmte es ungemein, dass seine beiden Ältesten ohne seine Zustimmung eigene Entscheidungen getroffen haben. Und dann noch so weitreichende.
Der Reichsvogt haderte mit sich selbst. Hätte er, als Wolfaran geboren wurde, besser seine Entscheidung getroffen und hätte Hilda geehelicht, dann wäre sein Sohn nicht fast zwanzig Jahre ein Bastard gewesen. Es war sicher viel, was auf seinen Ältesten im letzten Jahrzehnt eingeprasselt ist. Vom unbedeutenden Bastard zum Baronsgatten und weiter zum Erben einer Baronie.
Vielleicht konnte er ihm gar nicht verdenken, dass er selbstbewusst seine eigenen Entscheidungen traf.
Ein Haus zu führen, war nicht immer einfach. Anaxios ein Freigeist, ebenso Iralda. Beide intelligent und Freidenker. Wolfaran war ebenfalls zu einem selbstsicheren Mann herangewachsen und hatte eigne Ideen und Ansichten. Leo, die kleine Leonora, sie war so groß geworden und schien auch ihre eigenen Wege zu gehen. Die Herde trieb auseinander. Welche Kniffe sollte er anwenden, um sie zusammen zu halten?
Hatte er Leonora zu viel zugemutet, als er sie mit dem Pferdeflüsterer aus Weißbarûn verheiratete. Oh, er hatte gehofft, dass die beiden zueinander finden. Aber nein, sie konnten sich nicht ausstehen. Es freute ihn, dass sie einen Mann gefunden hatte, den sie liebte. Wäre es ihr Gatte, wäre es noch besser.
Sein Blick schweifte zu Etilian. Wenn Wolfaran in schon als antiquiert bezeichnete, was sollte dann Etilian mal von ihm denken, wenn er größer würde? Als sein Ältester das Licht Deres erblickte war er Ende dreißig, jetzt war er Mitte sechzig, als seine Hilda ihm noch das späte Vaterglück zu Teil kommen ließ.
Er könnte vom Alter sein Enkel sein. Würde er noch mehr rebellieren?
Mit der Hand streichelte er den kleinen Knaben. Oh ja, er hoffte er würde rebellieren, denn das würde bedeuten, dass Leobrecht noch am Leben sein würde und er sehen konnte, wie Etilian zu einem Mann wurde.
Er freute sich ungemein über seinen jüngsten Spross, doch auch Wehmut begleitete ihn bei dem Gedanken, dass er es vielleicht nicht mehr erleben würde, ihn aufwachsen zu sehen.
Funkelnde Sterne
Villa Ox, Kaiserstadt Gareth, 10. Ingerimm 1042 BF
Wolfaran saß im Garten der Villa Ox. Das Streitgespräch mit seinem Vater belastete sein Gemüt, als Iralda sich neben ihn auf die Holzbank setzte. Sie hatte bis spät in die Nacht in der Bibliothek gelesen, um sich auf die nächsten Prüfungen am Rechtsseminar vorzubereiten.
Ihr Gatte warf ihr einen geqälten Blick zu, was sie dazu brachte ihm aufmunternd über den Rücken zu streichen. "So schlimm?"
"Ach, wir waren unterschiedlicher Meinung, es gab schon Tage da haben wir uns mehr gestritten."
Iralda blickte hoch zu den Sternen. "Da, siehst Du den roten Wandelstern?" Wolfaran nickte und lauschte weiter den Erklärungen seiner Ehefrau. "In der Astrologie wird er beschrieben als von neun grün gebänderten Furchen durchzogener Bronzeschild. Das ist der Wandelstern des Kor. Er steht für Streit und Unverträglichkeit."
Wolfaran schmunzelte. "Versucht Du mir gerade mit dem Sternbild meine Handlungen zu erklären?"
"Meinst Du es ist Unfug? Dann schau weiter nach rechts. Siehst Du den schwach weiß scheinenden Wandelstern?"
Iralda nahm Wolfarans Arm und deutete mit seinem Finger in die richtige Richtung, so dass er ihn auch erkennen konnte. "Ich gebe zu mit Fernrohr ist er besser zu erkennen. Das ist der Stern des Aves - ich sage nur Freiheit... als eine Assoziation."
"Also ich rebelliere gegen meinen Vater, weil die Sterne es so wollen?" Wolfaran schüttelte den Kopf.
"Ich weiß selbst nicht, ob ich daran glauben soll, aber manchmal ist was Wahres an der Astrologie. Und in Deinem Fall passt es gerade einfach zu gut. Aber nicht nur Du rebellierst, auch ich habe mich schon mit Deinem Vater über die Zukunft des Hauses unterhalten - und wir hatten unterschiedliche Meinungen."
"Du auch?"
"Ja, und Anaxios hat auch seinen eigenen Willen. Dein Vater kann einem schon ein wenig Leid tun, es scheint als machen alle Ochsen was sie wollen."
"Ihr hesingegefälligen Schlangen." Wolfaran lachte bei dem Ausspruch laut "Von euch erwartet man ja nichts anderes...." neckte er seine Ehefrau weiter.
Iralda boxte ihn zänkisch in die Seite. "Ruhig Brauner....." um dann wieder auf die Sterne zu blicken. "Siehst Du...Gelblich-weiß wie ein Zitrin oder Goldtopas strahlend. Das ist Ucuri der zweithellste Wandelstern. Astrologisch steht Ucuri für Triumph und Sieg."
"Das klingt viel besser als Streit, Unverträglichkeit und Freiheit." warf Wolfaran ein.
"Vielleicht kann man es so interpretieren, dass man erst Zanken muss, um siegreich zu sein?"
"Man kann sich auch alles schön reden, Liebes. Dann beende es auch. Hammer und Amboss kann sogar ich am Firmament erkennen." Wolfaran lauschte interessiert.
"Hm... das elfte Sternbildim Zwölfkreis. Wird unter anderem mit Härte, Beständigkeit und Gegenständlichkeit assoziiert. Letzteres passt doch zur Situation."
"Gegenständlichkeit kann ich auch in der Situation erkennen. Beständigkeit... hm Leo nimmt meinen Platz ein, unser Idamil den ihren. Fällt das unter Beständigkeit? Zu Härte fällt mir bisher nichts ein."
"Es muss ja nicht alles eintreten."
"Ich wünschte mir es würde wieder ruhiger werden im Haus Ochs. Es war viel Veränderung in letzter Zeit. Ich glaube das überfordert Vater. Die Zeit scheint schnelllebiger zu sein."
"Vielleicht müssen wir mehr auf seine Bedürfnisse eingehen. Er ist wirklich bemüht uns allen gerecht zu werden. Doch wir sind so unterschiedlich, dass das garnicht möglich ist."
"Ich konnte auf ihn bei der Entscheidung keine Rücksicht nehmen, denn ich musste auf Mutter achten."
"Manchmal geht es nicht, das verstehe ich. Doch versuche wieder eine Brücke zu ihm zu bauen. Bemühe Dich das angespannte Verhältnis von Dir zu ihm und von Hilda zu ihm zu kitten. Um erfolgreich zu sein benötigen wir alle eine Herde die gemeinsam seinen Weg verfolgt."
"Ich werde es versuchen, vor allem er und Mutter müssen sich wieder vertragen. Sie kann nicht ohne ihn."
"Und er nicht ohne sie..." Iralda schmiegte sich an ihren Gatten und sie genossen weiter den Blick auf das funkelnde Sternenbild über den Dächern der Kaiserstadt.
Ein garetisches Haus
Villa Ox, Kaiserstadt Gareth, 11. Ingerimm 1042 BF
Wir gut, dass die Ochssche Kinderschar das Frühstück mit ihrem kindlichen Charme auflockerte. Leobrecht und Wolfaran waren sich zurzeit nicht sonderlich grün und Iralda darum bemüht die Risse zu kitten.
Trisdhan und Idamil konnten kaum in sich halten und quasselten ununterbrochen. Für beide war es so aufregend, dass sie Gareth alsbald verlassen würden. Thion war am Morgen unausstehlich, wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass seine beiden älteren Brüder ihn zur gleichen Zeit als Spielgefährten abhanden kommen würden.
Storko war noch zu klein und mit Essen beschäftigt, ebenso sein Halbbruder Leowyn. Hardane wippte auf Iraldas Arm, während das stinkende Bündel Aldare von ihrer Tante Kathaya zur Amme gebracht wurde.
Auf Leobrechts Schoß saß das Nesthäkchen der Familie, Etilian, der ein Brötchen mümmelte. Als es herunterfiel quittierte er das Missgeschick mit einem quengelten Schrei. Wolfaran hob das angekaute Brötchen auf und reichte es seinem Bruder. "Hier Kleiner." Unwirklich lag sein Augenpaar auf dem Jungen, irgendwie fühlte es sich komisch an ein Kleinkind als Bruder zu haben.
"Du musst Dich erst noch dran gewöhnen, oder?" warf Leobrecht mit Blick auf Wolfarans Mimik ein.
"Irgendwie schon. Mein Bruder ist jünger als meine Kinder. Schon komisch."
"Wenn es Dir hilft, für mich ist es auch ein komisches Gefühl. Ich hatte mich damit abgefunden Großvater zu sein und nicht noch ein eigenes Bündel in der Hand zu halten."
"Ich finde es schön, ihr habt Euch doch noch ein Kind gewünscht." kommentierte Iralda den Wunsch den Leobrecht und Korhilda hegten.
"Ja wir haben es uns gewünscht, aber nicht daran geglaubt, dass es möglich wäre." Mit einem milden Blick folgte der Reichsvogt seinem Sohn.
"Ich reise Morgen gen Wasserburg, mit den Kleinen. Idamil wird von Hitta überbracht. Kommst Du auch schon mit?"
Da war wieder das Wort Wasserburg. Zurzeit ein wunder Punkt für den Reichsvogt. "Ich muss noch etwas in der Kaiserstadt regeln und werde mit Etilian und Kathaya nachreisen. Bevor Du fährst, muss ich Euch beiden noch etwas mitteilen."
Iralda und Wolfaran schauten skeptisch, während das Oberhaupt des Hauses sein Anliegen konkretisierte. "Es ist nichts schlimmes, das vorweg." beruhigte Leobrecht vorab die Gemüter. "Iralda du bist Baronin von Bärenau, Wolfaran Du wirst der nächste Baron von Wasserburg. Ich habe mich daher entschieden, dass Bärenauer Haus Ochs wieder in die Hauptlinie zu führen."
Iraldas fragender Blick lag auf ihrem Schwiegervater, der daraufhin erneut das Wort ergriff. "Ich rief den Zweig 1034 BF ins Leben, um die Ansprüche auf die Baronie Bärenau zu erheben. Der Anspruch wurde anerkannt und Du, meine Liebste, leitest seid sechs Götterläufen die Geschicke im Süden Hartsteens. Da mit Wolfaran eine weitere Baronie in Laufe der Zeit hinzukommen wird, habe ich beschlossen unsere beiden Hauptzweige wieder zusammen zu führen."
"Weil Du nicht möchtest, dass eine Nebenlinie stärker wird als das Haupthaus." Leobrecht hätte Iraldas Aussage fast als Angriff gewertet, wenn sie nicht schnell noch einen Nachsatz eingeworfen hätte. "Bitte nicht falsch verstehen, es war eine reine Feststellung, keine Wertung."
Leobrecht nickte. "Ja, ich möchte dass das Haus Ochs einig ist. Und erhoffe mir das mit diesem Schritt."
Das Oberhaupt wusste, dass es nur ein kosmetischer Schritt nach Außen hin war. Seine Quer- und Freidenker würde er damit nicht ruhig stellen können.
Bevor die Erwachsenen das Thema weiter vertiefen konnte, hatte Klein Storko schon seine Milch über den kompletten Essenstisch verteilt, so dass alle damit beschäftigt waren nicht nass und dreckig zu werden.
Auf Leonoras Spuren
Dachsbau, Fürstentum Kosch, Baronie Sindelsaum, Ingerimm 1042 BF
Aufgeregt saß Idamil mit der Ritterin Hitta vom Wirsel in der Kutsche. Nach dem sie den Urgroßvater des Jungen am Angbarer See besucht hatten, fuhren sie weiter gen Sindelsaum.
Idamil hatte schon viele tolle Geschichten aus dem Kosch gehört. Sei es von seiner Mutter, seinem Urgroßvater oder seiner Tante, die voll des Lobes über ihren Schwertvater Erlan von Sindelsaum war.
Er, der zwei Koscher Fürstennamen trug - Idamil und Baduar -, auch aufgrund der Verbundenheit seiner Mutter an die Heimat ihrer Vorfahren, würde die Tradition fortsetzen und in den Kosch gehen. Sein Vater hatte ihm mitgeteilt, dass auch ihm eine Ausbildung im Kosch zu Teil werden würde. Er durfte Page und anschließend Knappe beim Baron von Sindelsaum werden.
Die Kutsche rollte in malerischer Lage entlang des Angbarer Sees. Sanfte Hügel bedeckten das Land, während kleine Seen und Bäche das fruchtbare Land durchschneiden. Lichte Forste erblickte der Junge ebenso, wie Obstgärten und ertragreiche Felder.
Idamil traute seinen Augen kaum, als die Kutsche am Dachsbau anhielt. Er dachte immer seine Tante hätte ihn veräppeln wollen. Aber nein, alles was sie ihm sagte war wahr. Der Dachsbau war wirklich keine Burg. Es sah aus wie bei den Schlunder Zwergen, nur größer und für Menschen gebaut.
Baron Erlan von Sindelsaum nahm seinen neuen Bewohner freudig entgegen und zeigte ihm den Dachsbau und die Umgebung. Um das Haus herum spross ein weitläufiger Garten, in dem allerlei Obstbäume standen. Begleitet wurden sie bei dem Rundgang vom Hund des Barons, der den Namen Anshold trug. Er und Idamil schienen sich von Anfang an gut zu verstehen.
Der urige Name Dachsbau kam daher, dass hier einst Dachse lebten und es bis heute tun - so erklärte es der Baron dem Knaben. Die Dachshöhle im Garten wird von den Sindelsaumern gehütet und niemand sollte es wagen den hier wohnhaften Dachsen zu nahe zu kommen. Derzeit lebt hier der Dachs Reto III., oder vielleicht sogar schon der IV. mit seiner Familie. Idamil schmunzelte, Reto der Dachs, dass fand er witzig.
Hitta blieb noch bis zum nächsten Morgen, bevor sie nach Gareth zurückreisen musste. So kam sie noch in den Genuss des besten Käsekuchens zubereitet von der Köchin Baroscha Dornenstrauch.
Ochs im Rossgarten
Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg, Ende Ingerimm 1042 BF
Die Kutsche, in denen der Kanzleirat a.D. mit seinen Kindern Trisdhan, Thion und Leowyn saß bog, nachdem sie den Markt von Drosselau passiert hatten, in Richtung des neuen Guts der Baronin von Wasserburg ab.
Zuerst rollte das Gefährt durch ihren heimischen Schlund. Wie gerne erhaschte Wolfaran einen Blick auf die Königsstadt Wandleth. Viele schöne Erinnerungen verbanden ihn mit diesem Ort.
Weiter fuhren sie über die garetisch-perricumsche Grenze. Ein herrlicher Blick auf die Darpatauen begleitete ihre Fahrt. Es war ein kurzer Weg von der Reichsstraße ab, als sie schon das schmucke Anwesen Korhildas erblicken konnten.
Sie entstiegen dem Fahrzeug und wurden gleich von Damina von Drosselpfort begrüßt, die die Familie ins Innere des Schlosses führte. Welch protziger Prunkbau, dachte Wolfaran. Hier passt ja kein Stil zu dem Anderen. Ganz schlechter horasischer Geschmack.
Wolfaran und die Kinder wurden in einen Salon geleitet, der sich Waffenkammer nannte. Der Raum beherbergt eine schöne Sammlung von Waffen und aranisch-tulamidischen Gegenständen. Interessant, aber irgendwie passte hier kein Raum zu dem Anderen.
Die Kinder quiekten voll Freude, als sie ihre Großmutter durch die Tür kommen sahen. Wolfaran wurde hingegen kreidebleich. Sein Onkel hatte ihm augenscheinlich die Wahrheit mitgeteilt. So gemergelt hätte er sich seine Mutter nicht vorgestellt.
Korhilda wies Dramina an, ihren Enkeln das Schloss zu zeigen. Die Rasselbande folgte mit Jauchzen und Gebrüll und zog von Dannen. Als alle den Raum verlassen hatten, stand Wolfaran auf und nahm seine Mutter ganz fest in den Arm. Er schluchzte und wollte sie gar nicht mehr loslassen. „Alles gut, mein Großer. Ich sehe schlimmer aus, als es mir geht.“ Flunkerte die Baronin.
„Ich bin so froh, dass Du lebst. Leo und ich hatten so Angst um Dich.“ Flennte ihrer hünenhafter Sohn.
Korhilda küsste ihn fürsorglich auf die Stirn. „Ich habe schon Schlimmeres überstanden. Ich weiss nicht, ob Du Dich noch daran erinnern kannst. Du warst noch klein, als Du mich mit Deinem Vater am Lazarett nach der Dritten Dämonenschlacht besucht hast. Da war es schlechter um mich bestellt.“
Wolfaran hielt sie noch fester, er musste aufpassen, dass er sie nicht erdrückte. „Mutter, ich werde bei Dir bleiben. Ich werden Dir eine Stütze sein und Dich beschützen.“
„Das ist lieb Großer, und Du weißt, ich würde mich sehr darüber freuen. Doch Du musst zurück nach Elenvina.“
„Nein. Das muss ich nicht und das werde ich nicht.“
„Aber Dein Vater…“
„Leo und ich haben unsere eigene Entscheidung getroffen. Deine große Tochter ist mir nachgefolgt und nun Kanzleirätin für Eich- und Wägewesen. Ich bin frei und ich werde alles tun, damit ich Dir die Unterstützung sein kann, die Du benötigst.“
Jetzt flossen bei Korhilda die Tränen. „Und Dein Vater?`“
„Wie Vater ist. Er wird sich einkriegen, irgendwann. Und auch ihr werdet euch vertragen, wenn die Zeit reif ist. Du kennst Vater, er kann sehr mürrisch sein, aber er ist nie lange nachtragend, wenn sich die Situation nicht mehr ändern lässt.“
Trisdhan und Alion
Trisdhan und Alion -Stalljunge
Ende Ingerimm 1041 BF, Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg
Alles um ihn herum war neu und ganz anders als in der Kaiserstadt Gareth, wo er die letzten Monde lebte. Nachdem seine Großmutter überraschend als Baronin von Wasserburg belehnt wurde, war sein Leben von ein auf den anderen Tag ein anderes.
Trisdhan Du wirst beizeiten ein Baron, hatte seine Mutter gesagt. Ein Baron wie irrwitzig das klang. Gerade war er noch ein viertgeborenes Kind, jetzt sollte er ein Erbe sein – nach seinem Vater Wolfaran. Seine Schwester Rohaja würde in ferner Zukunft Bärenau erben und seiner Mutter folgen. Sein Bruder Leobrecht war versprochen in die Familie Ruchin und Ophelia gehörte dem Klerus der Perainekirche an.
Es erschien dem siebenjähren Jungen mehr als unwirklich was gerade mit ihm geschah. Seine Großmutter hatte ihre Vögtin geschickt, um ihn aus der Kaiserstadt abzuholen und aufs Perricumer Land zubringen. Hier duftete alles nach Wasser, Feldern und Bergen. Nicht so dreckig wie der Moloch der Kaiserstadt. Das gefiel ihm sehr gut, obwohl er seine Geschwister vermisste.
Auf dem Hinweg reiste er am Fluss vorbei zu dem schönen Schlösschen in dem seine Großmutter wohnte. Großmutter ging es leider noch nicht so gut, so erkundete der Junge alleine die Umgebung. Wer immer dieses Gemäuer errichtet hatte, da war sich Trisdhan sicher, hatte einen ganz schlechten Geschmack und Hang zum Kitsch.
Das Schloss sah aus, wie die Schlösser die in Märchen beschrieben wurden. Keine Frage irgendwie war es auch schön, schön kitschig, schön protzig – keine wehrhafte Burg eines Ritters. Nicht wie die Praiosburg in Bärenau. Die anliegende Gartenanlage war fein säuberlich angelegt, hier ließe sich sicher gut Imman spielen. Er musste daran denken, seine Großmutter nach Schlägern zu fragen. Seine Ausrüstung musste er bei seinen Geschwistern in Gareth zurücklassen.
Vorbei an einem großen Rote und Weiße Kamele Spiel, welches aus Stein im Garten aufgebaut war, schlenderte er bei strahlendem Sonnenschein vom Schloss hin zum Gut Rossgarten. Hier gab es mehrere Pferdekoppeln und Ställe. Seine Großmutter erzählte die Barone von Wasserburg hätten eine eigene Pferdezucht von Tulamiden Pferden. Das fand er unübertrefflich gut.
Trisdhan ging zu den Ställen, wo ein junger Bursche die Boxen ausmistete. „Bist Du der neue Stalljunge?“, rief der schwarzhaarige Nebachote zu ihm herüber. Trisdhan grinste innerlich und nahm sich eine Mistgabel. „Ich bin neu hier. Meine Freunde nennen mich Tris.“
„Na dann herzlich willkommen, Tris. Ich bin Alion. Kommst Du gerade aus der Praiostagsschule? Du solltest Dich das nächste Mal besser umziehen, bevor Du zur Arbeit kommst.“ Gemeinsam schaufelten sie den Dreck aus den Pferdeboxen und verteilten neues Heu.
Die Stunden vergingen und die beiden Jungen freundeten sich an. Die Arbeit war getan, als Trisdhan sich verabschiedete. „Ich muss jetzt gehen, sicher vermisst meine Oma mich schon. Sehen wir uns morgen wieder?“
Alion runzelte ein wenig die Stirn. „Ja, oder denkst Du ein Stalljunge arbeitet nur einen Tag in der Woche. Bei Morgengrauen wieder hier.“
Trisdhan und Alion -Sitten und Gebräuche
Ende Ingerimm 1041 BF, Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg
„Du kommst nicht von hier, oder?“ Trisdhan kam Alion so fremd vor.
„Nein, ich komme aus Gareth. Ich bin erst vor ein paar Tagen nach Wasserburg gekommen.“
„Echt, aus Gareth, toll. Ist bestimmt eine atemberaubende große Stadt.“ Alion war begeistert und lauschte den Erzählungen seines neugewonnen Freundes von der riesigen Metropole, während sie erneut die Ställe ausmisteten.
„Müssen wir jeden Tag die Ställe reinigen, oder dürfen wir auch mal zu den Pferden. Sie striegeln und reiten?“ Trisdhans Anfrage führte bei Alion zu einem ungläubigen Kopfschütteln. „Auf welchem Hof warst Du denn? In ein paar Jahren dürfen wir vielleicht zu den Pferden, wenn mein Vater Armadeon, der leitende Pferdezüchter, uns gut gewogen ist.“
„Ach, weißt Du, der Hof an dem ich vorher war, der war nicht so schön. Der Herr des Hofes starb, seine Kinder auch und seine Ehefrau ging fort. Da war es total gruselig. Überall Leid und tote Menschen und viele skurille Gestalten. Ich war froh, wieder zu meiner Mutter zurückzugehen.“ Hof war Hof, auch wenn Trisdhan von einem Adelshof und Alion von einem Bauernhof redete.
„Arbeiten Deine Eltern garnicht hier?“ fragte der nebachotische Stalljunge.
Trisdhan schüttelte, ein wenig traurig, den Kopf. „Nein, mein Vater hat ganz weit weg gearbeitet in einer Kanzlei und meine Mutter studiert in Gareth. Meine Oma nahm mich mit nach Wasserburg, sie ist neu hier am Schloss.“
„Meine Mutter wohnt auch nicht hier. Sie ist Magierin und lebt in Perricum. Hin und wieder, wenn sie zu Forschungsreisen in den Wall zieht, kommt sich mich und Vater besuchen. Von Vater hatte ich Dir ja schon erzählt, er leitet hier das Gestüt Aquamarin. Ich soll ihm mal folgen und auch Pferdezüchter werden. Er ist nur der Meinung, dass man unten anfangen soll. Erst nach und nach wird er mir zeigen, wie eine Pferdezucht betrieben wird. Reiten kann ich schon, bin schließlich ein Nebachote. Aber nicht auf den Rassepferden, die durfte ich bisher nicht reiten.“
„Ein Nebachote, dann kommst Du nicht ursprünglich von hier oder?“
„Meine Familie kommt mehr aus dem Süden, aus Weißbarûn“ Alion sah Trisdhan fragenden Blick. „Das ist an der Grenze zu Aranien.“
Trisdhan lauschte dieses mal Alion, wie er ihm über Nebachoten und ihre Kultur berichtete. Der junge Ochs fand die Fremdländer total faszinierend. So ganz anders als die Hartsteener und Kaisermärker Rittern, mit denen er bisher zu tun hatte.
„Abu’l kachlaq, habe ich es richtig ausgesprochen? Was hieß es nochmal … “ fragte der blonde Bursche.
„Vater des Ungeziefers oder Dreckschwein, je nachdem, wie Du es übersetzen willst. Ich habe noch eines für Dich… Schaddai heißt so viel wie Feigling.“ Sie schäkerten und lachten. Trisdhans Wortschatz war nach dem Tag um einige nebachotische Schimpfwörter reicher.
„Okay, Du bist ein Nebachote und kommst von der Grenze Perricum Aranien. Sonst leben hier aber nicht so viele von euch in Wasserburg oder?“
„In der Baronie eher weniger. Du hast hier die kruden Bergbewohner. Die sind echt schon ein eigenes Völkchen. Wahrscheinlich wird man da oben zwischen Steinen und Felsen ein anderer Mensch. Und dann hast Du hier die Bewohner um die Darpatauen. Viele Bauern und Fischer. Dazu noch die Stadt. Keine Metropole wie Gareth, ich freue mich dennoch immer wieder, wenn Vater mich dahin mitnimmt.“
Sie hatten ihre meiste Arbeit erledigt, und schaufelten nur noch Mist aus der letzten Pferdebox, als Armadeon näher trat und ungläubig guckte. „Vater, das ist Tris, er ist der neue Stallbusche, von dem ich Dir erzählt habe.“
Trisdhan legte seinen Finger auf seine Lippen, schüttelte den Kopf und grinste schelmisch über das ganze Gesicht. Armadeon schmunzelte, ein Lachen konnte er gerade noch verkneifen. „Dann herzlich willkommen, Bursche. Macht den Stall noch fertig, dann gebe ich euch heute eher frei. Genießt die Zeit und geht spielen.“ Armadeon wollte sich nicht gleich Ärger einfangen, wenn herauskommen sollte, dass er den jungen Trisdhan zum Stalldienst aufgefordert hatte.
Trisdhan und Alion – Ausbildung in Rossgarten
Ende Ingerimm 1041 BF, Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg
Trisdhan hatte sich gut eingelebt am Hofe seiner Großmutter. Mit Alion hatte er einen Freund gefunden, der ihm verzieh, dass der junge Ochse ihm am Anfang nicht sein wahres Ich verrat.
Die beiden Jungen genossen die Sommermonate und nachdem Trisdhan sich offenbart hatte, kein Stalljunge zu sein, musste er auch weniger die Pferdeboxen säubern. Die Monde vergingen und Korhildas Enkel verbrachte die Tage auf dem Pferderücken und mit Tagträumereien.
Iralda, Wolfaran, Leobrecht und Korhilda unterhielten in der Zwischenzeit einen regen Schriftverkehr, was denn nun aus dem Jungen geschehen sollte. Nach dem verkorksten Ausbildungsversuch auf Burg Zweifelfels, wollten dieses mal alle das Richtige für den Jungen finden.
Vor allem Iralda wollte die zweite Entscheidung besser treffen, als die Erste. Ihr lag immer noch schwer im Magen, wie verängstigt ihr Sohn aus Zweiflingen zurück gekehrt war. Korhilda konnte sie zwar beruhigen, da er in Wasserburg vollends aufzublühen schien.
Nach einigem Hin und Herr beschlossen die vier, dass Trisdhan die Pagenzeit bei seiner Großmutter absolvieren sollte. Das Thema Knappenvater vertagte man somit um ein paar Jahre nach hinten.
Es war wieder ein sonniger, warmer Sommertag, an dem Trisdhan mit Alion bei den Pferden war. Sie aufsuchend kamen Armadeon und Korhilda zu den beiden Jungen, die sich mit Stroh bewarfen und freudig dabei lachten.
„Trisdhan, Alion“, rief die Baronin von Wasserburg die Jungen zu sich. „Wie ich sehe, habt ihr viel Spaß.“ Beide Burschen nickten eifrig mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. „Dann wird es euch erfreuen, dass ihr nun ein wenig länger zusammen bleiben könnt.“
Beide fielen sich freudestrahlend um den Hals. „Das heißt aber nicht, dass ihr euch weiter in Tagträumereien verlauft. Wir, Armadeon und ich haben entschieden, dass ihr beide in die Pagenausbildung geht. Wir werden sie nur ein wenig anders gestalten, als Du Trisdhan es aus Hartsteen kennst. Ihr werdet beide von Damina von Drosselpfort die ritterlichen Tugenden lehren und Armadeon kümmert sich um die Reitausbildung und den dazugehörenden Pferdeverstand. Die Ausbildung umfasst zuerst einmal die nächsten Götterläufe. In wieweit die Knappschaft daran anschließt müssen wir sehen und ist noch nicht entschieden. Ich gebe Euch noch eine Woche, in der ihr machen könnt was ihr wollt, bevor der Ernst des Lebens anfängt und ihr wieder in einen geregelten Tagesablauf kommt.“
Es fühlte sich so gut an, jemandem Freude bereitet zu haben. Zufrieden verließen die beiden Erwachsenen die Jungen, die voll Abenteuerlust Gut und Schloss unsicher machten.
Trisdhan und Alion –Im Umland von Rossgarten
Ausritte in die Umgebung, Vorstellung der Wasserburger Landschaft
Trisdhan und Alion –Die Mauern der Ruine Grimmberg
Übernachtung im Freien, Vorstellung der Wasserburger Landschaft
Trisdhan und Alion -Was die Stadt zu bieten hat
Besuch in der Stadt Wasserburg, Vorstellung der Wasserburger Landschaft
Trisdhan und Alion -Auf in den Wall
Auflug in die Umgebung, Vorstellung der Wasserburger Landschaft (Wall)
Zacken und Wall
Auszüge aus den ständigen Briefwechseln zwischen den befreundeten Herrschern von Sturmfels und Weißbarûn (namentlich Korhilda von Sturmfels und Gidiane von Waltern)
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