Geschichten:Am Hofe des Kronvogtes - Zur Jagd II.

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Kronlande Njertal, Königlich Neerbusch, Rahja 1035:

Nach der Truppenparade verließ die Jagdgesellschaft im großen Tross die Hochnjerburg. Kronvogt Leomar hatte veranlasst in der Nähe des Klosters Neerquell ein Lager aufzuschlagen. Ebenso hatte er bestimmt, dass die Jäger in Zweiergruppen operieren sollten. Storko von Gernatsborn-Mersingen hatte die Ehre mit dem königlichen Jagd- und Forstmeister Edorian von Feenwasser gemeinsam die Jagd zu bestreiten. Edorian ritt längs an den Junker heran um mehr über ihn und dessen Heimat zu erfahren.

„Wohlgeboren“, begann der Jagd- und Forstmeister, „ich habe mich viel mit der politischen Situation in den ehemaligen darpatischen Landen beschäftigt, doch haben mich meine Reisen nie selbst dorthin geführt. Es würde mich daher sehr glücklich schätzen, wenn Ihr mir mehr über Eure Heimat erzählen würdet.“

„Die Heimat...“ begann Storko zu räsonieren „.. mein Junkergut liegt im Wehrheimer Land, das was man verächtlicherweise, jedoch im Kern wahr, Wildermark nennt. Der Stammsitz meiner Familie liegt am Fluss im oberen Gernatstal, westlich des Wutzenwaldes.“ Er runzelte die Stirn. „Doch weiß ich nicht wie es um die Lage steht, das Gut ist ein Wehrgut, jedoch keiner Armee von Bannergröße gewachsen. Womöglich haben es Kriegsfürsten schon in Schutt und Asche gelegt, … ihr müsst verstehen die Zustände in meiner Heimat sind verheerend. Und dabei habe ich in der Baronie Schlotz, und darüber hinaus, mit Verbündeten im Sommer vor drei Jahren so manches Übel, sei es transysilische Söldner oder Rotpelze, von unseren Landen vertrieben. Doch soweit meine Informationen richtig sind ziehen große Armeen auf zwischen Rommilys, Gallys und Wehrheim. Ich habe jedoch Boten geschickt um die Lage zu sondieren, in wenigen Tagen sollten sie zurückkehren.“

Der Junker aus dem Wehrheimer Land wurde etwas nachdenklicher während sie weiter im Schritt den Pfad entlang ritten. Er war tatsächlich von Sorge geplagt. Er malte sich Bilder seines Landes aus: rauchende Schwaden von verbrannten Häusern und Leichen, wie er es auch schon an anderen Orten erlebt hatte. Gegen einen „Besuch“ der Drachenmeisterin samt der Bestie Arlopir hätte sein Grenzwächter wenig ausrichten können.

Er fuhr fort um sein Gegenüber nicht zu langweilen, während er sich über seinen Bart strich: „Was, meint Ihr im Ernst, dass ihr noch nie in den Wehrheimer landen wart, in Wehrheim selbst als das stählerne Herz des Reiches noch voll in Blüte stand. Ha, Wehrheimer Strammstehen, wenn Ihr was ich meine, haha.“

Er begann ob des alten Armeewitzes zu lachen, als er jedoch bemerkte, dass Edorian das nicht voll verstand erklärte er: „Ihr müsst wissen, dass meine Eltern mir als Drittgeborenen ursprünglich nicht das Erbe in der Heimat angedacht hatten, das Schicksal hat es mir zugewiesen. Ich habe insgesamt mehr fast, ja tatsächlich, zehn Götterläufe in der ehemaligen Garnisonsstadt gelebt und in der Reichsarmee gedient. Mein Jahrgang war der vorletzte der an der Kaiserlichen Offiziersanstalt für Strategie und Taktik abschließen konnte, dann diente ich unter dem ehemaligen Reichserzmarshall im I. Kaiserlich-Darpatisches Garderegiment bis zu dessen Ende und darüber hinaus.“ Sein Gegenüber mag es vielleicht nicht wahrgenommen haben, doch in der Stimme Storkos lag eher Stolz als Schmach wenn er über den Reichsverräter sprach.

Da er das jedoch selbst erkannte, versuchte er schnell das Gespräch umzulenken. „Überdies, ich habe vernommen, dass das Njertal erst vor einem Jahr von namenlosen Umtrieben befreit wurde.“ Er hatte auch irgendwo vernommen, dass man Edorian ehrenhalber „Held des Njertals“ nannte. „Könnt Ihr mir mehr darüber berichten? Nicht, dass ich mich hier im Reichsforst in Abenteuer verstricke zu denen ich vorbereitet war.“ Sein letzter Satz war als Witz gedacht und deshalb untermalte er es mit einem Lächeln, doch konnte er sein Gegenüber noch nicht gut genug einschätzen ob dieser das auch amüsant fand.

Edorian lächelte vergnügt, der darpatische Junker war ihm offenkundig sympathisch. „Nun“, der Gesichtsausdruck des sonst stets gutgelaunten Mannes wurde für einen Moment merklich ernster, „der Forst hier in Waldstein – und davon gibt es wie Ihr sehen könnt sehr viel - folgt seinen eigenen Gesetzen. Viele Köhlerhütten, Dörfer, Güter, ja ganze Junkertümer gar, sind ihm in den letzten Jahren schon zum Opfer gefallen. Besonders die Baronien Ulmenhain und Osenbrück waren davon betroffen. Im Jahre 1029 BF schließlich wucherte dann der einzig gangbare Weg durch den Reichsforst hier ins Tal komplett zu. Es gab einfach kein Durchkommen mehr. Das Tal und seine Bewohner, darunter auch der damalige Kronvogt, galten als verschollen, man glaubte der Forst hätte sich alle geholt, wie schon so viele zuvor. Doch da kennt man den Waldsteiner Niederadel schlecht, so einfach gibt der nicht auf.“ In Edorians Stimme klang aufrichtiger Stolz.

“Jeden Praios treffen sich nämlich die Waldsteiner Ritter und Junker zum sogenannten Brandlöschen um Rat zu halten – und um ordentlich Brand zu löschen.“ Edorian lachte. „Glaubt mir, ich habe in meiner Jugend das legendäre Meskinnes-Wettsaufen in Festum miterlebt, aber das ist gar nichts im Vergleich zur Trinkfestigkeit der Waldsteiner. Wie dem auch sei, es war mein erstes Brandlöschen, da ich für viele Jahre im Dienste der Kaiserin als Gesandter außerhalb des Reiches weilte und dort traf ich auf Leomar, der mit klaren Worten die Untätigkeit des gräflichen Seneschalls rügte und uns Ritter und Junker aufrief selbst zu handeln – und das taten wir dann auch! So zogen wir am nächsten Morgen – etwas verkatert muss ich zugeben – gen Neerbusch um den Verbleib von Kronvogt Derril von Waidbrod zu klären und das Schicksal des Njertals und seinen Bewohnern zu lüften.“ Edorian machte eine kurze Pause und streichelte durch die Mähne seines Pferdes bevor er fortfuhr. „Schließlich gelang uns sogar, woran viele vor uns scheiterten, auf verschlungenen Pfaden erreichten wir ins Tal. Dies wird von vielen vor allem meinen Fähigkeiten als Kenner des Waldes zugeschrieben, doch kann ich Euch versichern, dass da auch einen gehörige Portion Glück mit im Spiel war, wenn nicht gar das Wirken des Heiligen Sarion selbst.“ Als Edorian bemerkte, dass dieser Heilige Storko offensichtlich nichts sagte, schob er nach: „Der heilige Sarion ist der Schutzpatron des Njertals und gilt als Heiliger der Simia-Kirche.“ Der Junker aus den Wehrheimer Landen nickte.

„Es gelang uns, das perfide Machwerk von Namenlosen-Paktierern im Kloster Neerquell aufzudecken, wobei unser aller hochgeschätzter Kronvogt leider sein Leben ließ.“ Edorian hatte diese Version der Geschichte schon so oft erzählen müssen, dass er sie beinahe selber für wahr hielt und das war auch gut so, denn die wirklichen Ereignisse um den Tod von Kronvogt Derril, den Verwicklungen der Sertiser Hexen und anderer Mächte des Waldes, nicht zuletzt seine eigene Rolle, sollten unter keinen Umständen ans Licht der Öffentlichkeit. Zudem war es für ihn äußerst nützlich als „Held des Njertals“ gefeiert zu werden, hat es ihm doch erheblich mehr politischen Einfluss eingebracht. So wurde er von der Gräfin persönlich mit dem Eichenblatt in Bronze ausgezeichnet und anschließend vom Seneschall zum gräflichen Wegevogt ernannt, nicht zu vergessen die Ernennung zum königlichen Jagd- und Forstmeister zu Neerbusch. Ja, es lief gut für ihn und so sollte es auch bleiben.

Der Tross erreichte nun den Waldrand unweit des besagten Klosters. Die Thara`dir, der aus exzellenten Bogenschützen und Waldläufern bestehende bewaffnete Arm der Familie Feenwasser hatte bereits eine Lagerstätte errichtet, wo die nicht an der Jagd beteiligten Pagen, Knappen und Höflinge verweilen konnten. Die Hofgeweihte des Firun Baertrada von Waldtreuffelingen sprach den Segen des Grimmigen und ermahnte eindringlich die ehernen Gesetze der firungefälligen Jagd nicht zu missachten und endete mit einem donnernden „Waidmanns Heil!“. Leomar hatte unterdessen entschieden seine beiden Knappen Morgana und Gisborn ebenfalls mit auf die Jagd zu nehmen. Edorian hatte seinen Knappen Linnert gleich auf der Hochnjerburg zurückgelassen, zeigte dieser doch, sehr zu Edorians Verdruss, bis auf die Jagd mit seinem Falken kein Interesse an dem firungefälligen Waidwerk. Storko wurde zu dem zunehmend das Gefühl nicht los, dass seinem Gegenüber irgendetwas an der bevorstehenden Jagd nicht behagte.


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14. Rah 1035 BF zur mittäglichen Praiosstunde
Zur Jagd II.
Zur Jagd I.


Kapitel 5

Zur Jagd III.
Autor: Bega, Spieler des Storko von Gernatsborn