Benutzer:Orknase/Briefspiel

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Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.


(...)

Gerbachsroth, Firun 1044

Alderan stand etwas ratlos am Grab seiner Frau. Er hatte sie aus politischen Gründen geheiratet und sie eigentlich auch kaum gekannt, aber er fühlte sich dennoch für ihren Tod verantwortlich, war sie doch bei der Geburt ihrer Kinder gestorben. Er war ehrlich traurig und verfluchte sich nicht an ihrer Seite gewesen zu sein. Gut es war langweilig in Gerbachsroth, aber er hatte ihr gegenüber eine Verantwortung gehabt. Es war wohl eine äußerst schwere Geburt gewesen. Das erste Kind war gesund und munter gewesen, aber das zweite war nur noch todgeboren worden und hatte bald darauf seine Mutter mit sich auf die Reise über das Nirgendmeer genommen. Er hätte wohl nichts daran ändern können, aber er hätte wenigstens an ihrer Seite sein sollen.

Er hatte sie während ihrer Schwangerschaft nur einmal besucht, ein Umstand der ihn nicht gerade mit Stolz erfüllte. Auch wenn er dafür von seinen Freunden aufgezogen worden war hatte er sich am Hof des Markvogtes stets an die Gebote der Travia gehalten. Andere mochten ihn als lebenslustig und feierfreudig einstufen, aber er war doch immer noch aus altem Koscher Adel. Freilich hatte er bis auf Kindertage nie im Kosch gelebt, aber eine gewisse Verantwortung brachte der Name „von Nadoret“ doch mit sich.

Nun war er nach nicht einmal einen Jahr Ehe bereits Witwer und für ein Kleinkind verantwortlich, darüber hinaus auch noch für Stordan, Sigmundes Sohn aus erster Ehe. Der Bursche war auch erst sieben Jahre alt. Immerhin war Stordan bereits in Pagendiensten und damit außer Hause. Seine sonstige Familie bestand nur aus Kindern, aber er war bei seiner Pagenmutter in guten Händen. Sie würde sich schon um den Vollwaisen kümmern.

Alderan hielt es ganze acht Tage auf Gerbachsroth aus, dann nahm er seine Tochter Brinhild, genannt nach dem Zweitnamen ihrer Mutter, mit sich und ritt nach Scharfenstein um bei Baron Drego vorzusprechen. Das Gespräch währte nicht sehr lange. Weder Baron, noch die vielen Rians an seinem Hof schienen seiner Gattin eine Träne nachzuweinen und hatten ihn kurzerhand zum neuen Edlen ernannt, konnte ein Kind doch in Zeiten von schweren Fehden kein Lehen führen.

Am Rande traf er sogar kurz auf Meara ni Rían, die Gattin seines gefallenen Bruders. Er hatte sie vorher noch nie kennengelernt und war durchaus daran interessiert die zurückgezogene Frau etwas näher kennenzulernen, aber Meara schien auf seine Familie nicht gut zu sprechen zu sein und fand bald einen Grund das Gespräch abzubrechen. Die nächsten zwei Tage ging sie ihm dann aus dem Weg.

Also brach Alderan schließlich mit Klein-Birnhild auf. Er wusste nicht so recht was er mit einem Kleinkind anfangen sollte, drum entschied er sich sie zu seiner Mutter bringen. Sie würde seine Tochter sicher gerne aufziehen. Er wusste ja auch gar nicht wie man so etwas machte und außerdem war der Hof des Marktvogtes nichts für kleine Kinder. Er würde sie auch bitten ihm einen Vogt zu empfehlen, der die Amtsgeschäfte vor Ort erledigen konnte und Alderan die Rendite des Lehens direkt an den Hof schickte. Am besten ein Koscher aus altem Adel, der seiner Familie gegenüber loyal war und nicht in seine eigene Tasche wirtschaften würde.

Autor: Sindelsaum

Weiß wie Schnee

Schicksal bleibt Schicksal

Hexenwald

[...]

Auf Jahr und Tag

Nachspiel

Burg Scharfeenstein, am Abend des 19. Rondra 1044 BF

„Die Sturmherrin hat entschieden“, hob Drego von Altjachtern mit lauter Stimme unter dem zustimmenden Jubel der seinen an. Er hatte nicht nur Hermine von Alka im Angesicht Rondras besiegt und einen Abzug der Waldsteiner erwirkt, nein, er hatte mehr noch unter Beweis gestellt, dass sein Anspruch auf den Baronstitel nicht nur vollkommen legitim, sondern dass er dem auch absolut würdig war. „Sie hat die Plünderer für ihre Plünderungen gestraft und...“ Einen Moment hielt er inne, weil er gegen das zustimmende Geschrei seiner Männer und Frauen ohnehin nicht angekommen wäre. „... uns allen deutlich gezeigt, was sie von so einem niederträchtigen Verhalten hält. Weil aus Unrecht niemals Recht werden kann!“

Wieder pflichteten ihm die seinen jubelnd und grölend bei.

Frau von Raukenfels“, kündete er mit lauter Stimme, „Euch berufe ich zur Vögtin von Schwarztannen und Dich Albur, mein guter und treuer Freund, berufe ich zum Vogt von Scharfenstein und...“ Baron Drego verteilte noch weitere Ämter und Posten. Und auf jedes Mal musste man auf das neue Mitglied am Hofe den Becher erheben und trinken. So kam es, dass ich so viel trank, wie noch nie in meinem Leben.

Blasius“, rief der Baron dann irgendwann, „Komm zu mir.“

Und der Page kam zu seinem Pagenvater. Einen Moment lang schaute er ihn aus großen Augen an und Drego erwiderte seinen Blick. Dann fiel er vor dem Baron auf die Knie.

„Du hast Dich Deiner Aufgabe würdig erwiesen. Du hast unter Beweis gestellt, dass Du würdig bist, den nächsten Schritt zu tun. Daher werde ich dich nun mit einem Tritt in deinen neuen Stand befördern.“

Der Knabe ließ das Prozedere geduldig über sich ergehen, sogar ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. Erst gab es Gelächter, dann Jubel. Wieder tranken wir.

„Fortan wirst Du mir als Knappe dienen, Blasius“, schloss der Baron und ließ den Knaben ziehen.

Anschließend rief Drego seine Knappin zu sich: „Eylrun, tritt vor.“

Die Knappin trat vor ihren Schwertvater und sank auf die Knie, „Du hast mir in der kurzen Zeit stets treu als Knappin gedient. Empfange nun den letzten Schlag, den Du unerwidert hinnehmen werden musst.“

Er schlug ihr mit seinem Schwert auf die linke Schulter. Es war kein richtiger Schlag, es war eine Geste. Wieder jubelte die Menge. Dieses Mal zu Ehren der frisch den Ritterschlag erhaltenen Erlenfallerin. Wieder trank man.

„Und nun, Hohe Dame von Erlenfall, erhebt Euch. Fortan werdet Ihr Euch gegen jeden Schlag gefälligst zur Wehr setzten.“ Sie erhob sich sichtlich stolz. „Und weil Ihr mir in der Vergangenheit bereits treue Dienst erwiesen habe, so wünsche ich, dass Ihr dies auch weiter an meinem Hof tun werdet.“

„Das will ich gerne tun, Hochgeboren“, erwiderte die Ritterin und trat zur Seite.

Die Ansammlung war gerade im Begriff sich aufzulösen, da erhob der Baron erneut seine Stimme und alle verharrten.

„Und Ihr, Sternguckerin?“, wandte er sich da nun an mich, „Euch berufe ich zu meiner Hofkaplanin.“

Folgen

Burg Scharfeenstein, 20. Rondra 1044 BF

„Ich fürchte, dass mehrere Rippen gebrochene sind“, meinte ich etwas erschöpft als ich mir den Baron am Tag nach seinem Sieg genauer ansah. Ich war müde und fühlte mich nicht sonderlich wohl, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. „Auch wenn die Klinge Eurer Gegnerin es nicht durch Euer Kettenhemd geschafft hat, so kann so ein Stich dennoch Rippen brechen.“ Ich hielt einen Moment inne und betastete mit zunehmenden Unwohlsein anschließend eine der Rippen etwas genauer. „Ja“, schloss ich, „die ist eindeutig gebrochen.“ Drego von Altjachtern stöhnte schmerzerfüllt auf. „Habt Ihr Schmerzen beim Atmen?“

„Ja“, erwiderte er mir lediglich kurz und knapp.

„Dagegen werde ich Euch etwas geben“, schloss ich schwerfällig, „Ansonsten hilft nur viel Ruhe, Hochgeboren, viel Ruhe.“

Schwester Lindegard“, hob er protestierend an, „Da draußen tobt noch immer die Fehde...“

„Mag sein“, fiel ich ihm da ins Wort und fühlte wie mir langsam schlecht wurde, „Aber die Waldsteiner stellen auf Jahr und Tag – jetzt noch auf ein Jahr – keine Bedrohung mehr für Schwarztannen da...“

„Aber für Gräflich Luring!“, erwiderte er mir da energisch, „Die Waldsteiner sind nach Gräflich Luring gezogen!“

Ich zuckte mit den Schultern und fühlte mich zunehmend unwohler: „Das ist nicht mehr Euer Problem, sondern das des Grafen. Soll er sich doch darum kümmern, wie er die Waldsteiner aus seinen Landen vertreibt, er hat sich doch auch nicht darum geschert wie Ihr sie aus Schwarztannen herausbekommt, oder irre ich mich da etwa?“

Baron Drego blickte mich mit großen Augen an, sagte aber nichts. Mir war das Antwort genug. Er wusste, dass ich recht hatte.

„Ich weiß, dass Ihr viel von Eurem Freund, dem Grafen, haltet, vor allem da er Euch den Baronsreif aufgesetzt hat, dennoch hat er Euch im Kampf gegen die Waldsteiner nie unterstützt. So wie ich Frau von Raukenfels verstanden habe, habt Ihr ihn mehrfach und eindringlich um Unterstützung gebeten, regelrecht gefleht, aber nie welche erhalten, mehr noch, so hat er Euch nicht einmal geantwortet. Bei all den Verpflichtungen, die Ihr ihm gegenüber habt, so hat er Euch gegenüber auch welche...“

Wieder schwieg er. Wieder wusste er, dass ich die Wahrheit sprach.

„Gönnt Euch viel Ruhe, dann ist Eure Verletzung in einem Mond sehr wahrscheinlich verheilt“, schloss ich und deutete dem Knappen, seinen Schwertvater wieder anzukleiden, „Schont Ihr Euch nicht, wird es dementsprechend länger dauern...“

„Ihr seid doch eine Dienerin der Herrin Peraine. Könnte Ihr nicht...?“

„Ja, ich könnte“, ich seufzte schwer, „Doch ich werde nicht. Ich werde die Kraft meine Herrin nicht verschwenden und verschwendet wäre sie in diesem Fall, weil diese Verletzung auch so heilen wird, ganz ohne Zutun der Götter. Es bedarf Zeit und Ruhe, aber das ist auch schon alles.“ Dann wandte ich mich ab, wusch mir die Hände und trocknete sie ab. Ohnehin bezweifelte ich, dass ich in diesem Zustand ihre Kraft hätte nutzen können. „Wenn Ihr schnelle Hilfe wollte, dann fürchte ich müsste ihr einen Magier an euren Hof holen...“

Der Ritter sog hörbar die Luft ein.

„Ich kann auch nach Schwarztannen in den Tempel zurückkehren“, schlug ich nun vor und ließ mich auf einen Stuhl fallen, „Ihr habt mich an Euren Hof gebeten und ich bin gefolgt. Wenn Ihr mich hier nicht wollt, weil ich Euch nicht von nutzen sein kann, dann könnt Ihr mich jederzeit wieder in den Tempel schicken...“

„Nein“, der Baron schüttelte nachdenklich den Kopf, „Das wird nicht nötig sein. Wenn Ihr sagt, dass es heilen wird und weitere Hilfe nicht nötig sein wird, dann werdet Ihr gewiss die Wahrheit sprechen. Ich vertraue Euch. Ich habe Euch nicht nur an meinen Hof geholt, weil Ihr eine Dienerin der Herrin Peraine seid und weil ich mir wünsche, dass Ihr bei der Geburt meines Kindes zugegen seid, sondern auch weil ihr jung und unverdorben seid. Wer wäre eine bessere und treuere Ratgeberin als eine, die mit alledem bisher nicht in Berührung gekommen ist?“

Ich blickte ihn etwas verwundert an.

„Das habt Ihr mir wohl nicht zugetraut“, schloss er sogar etwas stolz, aber aus seinen Worten hatte ich ganz deutlich die von Yolande von Raukenfels herausgehört, „Ihr werdet jedoch nicht alleine sein. Ich habe Euer Gnaden Rían gebeten Euch zu unterstützen. Die hat zwar nicht zugesagt, das Amt auch offiziell auszuüben, aber sehr wohl so oft es ihr Dienst im Tempel erlaubt Euch – und damit auch mir – beizustehen.“

„Das ist gut“, entgegnete ich ihm nickend, „Denn... Ich will ehrlich zu Euch sein, ich bin mir nicht sicher, ob dass hier das richtige für mich ist. Ich bin mein ganzes Leben im Tempel aufgewachsen und so ein Leben bei... Hofe... bin ich nicht gewohnt. Es kann sein, dass ich mich nie daran gewöhnen kann…“

„Sobald mein Kind geboren wurde, könnte Ihr wieder in Euren Tempel zurückkehren, wenn Ihr dies wünscht, bis dahin möchte ich Euch jedoch darum bitten zu bleiben.“ Und im Gehen fügte er hinzu: „Ihr scheint nun auch erst einmal ein bisschen Ruhe zu benötigen. Die Feierlichkeiten gestern haben Euch wohl recht zugesetzt...“

Ich nickte schwerfällig.

Getrennt

Tempel der eingebrachten Früchte, 21. Rondra 1044 BF

„Du musst den Baron ganz schön beeindruckt haben“, stellte Baldur von Immenhort anerkennend fest, als ich ihn am nächsten Tag einen Besuch abstattete, „Immerhin hat er dich zu seiner Hofkaplanin gemacht.“

„Nun“, hob ich da an, noch immer hingen mir die Feierlichkeiten nach, noch immer fühlte ich mich nicht ganz wohl, „Ich denke, es war viel eher der Umstand, dass seine Liebste von Tsa gesegnet ist.“

„Ach“, er winkte ab und reichte mir eine Tasse Tee, „Das mag wohl sein. Ausschlaggebend wird jedoch gewiss deine Begabung für die Heilkunde gewesen sein, denn eine begabte Heilkundige bist du ganz ohne Zweifel.“

„Hochwürden, danke für Eure netten Worte“, ich nickte, trank einen Schluck Tee und hoffe, dass er meine Übelkeit vertrieb, „Sagt mal, wisst Ihr... wisst Ihr wann Schwester Perainidane zurückkehrt? Ich habe Schwester Theria gesehen...“

Da blickte er mich lang an, ehe er sagte: „Lindegeard, sie wird nicht mehr zurückkehren.“

„Was soll das heißen?“, fragte ich ungläubig, „Ihr ist doch nichts zugestoßen, nicht wahr?“

Nun schüttelte er den Kopf: „Nein, Lindegard, du brauchst dich nicht zu sorgen.“ Er trank etwas Tee. „Sie ist wohlauf. Ihr geht es gut. Sie wird allerdings in Rallingen bleiben.“

„In Rallingen?“, wiederholte ich tonlos, „Was... was will sie denn in Rallingen? Sie gehört doch nach Schwarztannen.“ Fassungslos blickte ich ihn an. „So wie auch ich. Wir sind doch... doch Schwestern.“

„Ich weiß, Lindegard, ich weiß“, versuchte er mich zu trösten und schenkte mir einen mitfühlenden Blick, „Unsere Herrin verlangt viel von uns, von jenem von uns, doch von dir und Perainidane verlangt sie derzeit alles.“ Er hielt einen Moment inne. „Sie wird nicht mehr in diesen Tempel zurückkehren. Sie wird in Rallingen bleiben. Sie wird dort Prätorin werden.“

„Prätorin?“, wisperte ich ungläubig, „Aber... aber... aber warum?“

„Weil es schon immer so vorhergesehen war“, erwiderte er schlicht, „Und zwar schon an jenem Tag, da Perainidane ins Noviziat eintrat. Dass es nun schon so bald geschah, das habe ich nicht erwartet, aber manche von uns holt Boron früher als andere. Die Prätorin zu Rallingen hat er früher geholt. Und nun wird Perainidane an ihre Stelle treten.“

Starr und steif saß ich da.

„Ach, Lindegard“, seufzte der Prätor da mitfühlend, „Nimm es doch nicht so schwer! Du kannst Perainidane ganz gewiss besuchen so oft du magst. Sie ist doch nur in Rallingen.“ Aufmunternd legte er mir die Hand auf die Schulter. „Trink noch ein bisschen Tee, Lindegard. Du bist ja ganz blass, mein Kind. Ganz blass.“

Wortlos trank ich meine Tasse Tee.

Prätorin

Gegeben im Efferd 1044 auf Burg Scharfenstein

An Ihre Hochwürden Perainidane von Erlenfall, Peraine-Tempel zu Rallingen

Liebste Schwester,
 
 
 
 
mit großer Freude habe ich vernommen, dass du nun dem Peraine-Tempel zu Rallingen vorstehst! Ein wenig stolz bin auch ich, schließlich haben wir zusammen unser Noviziat bestritten und sind über die Zeit Schwester geworden und das nicht nur im Glauben! Gerne denke ich an unsere gemeinsame Zeit im Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen zurück und deswegen bin ich auch ein wenig betrübt, dass wir uns nun nicht mehr so oft sehen werden können, weil du nun in Rallingen weilst und ich auf Scharfenstein.

Gewiss hast du es bereits gehört und wie könntest du auch nicht? Baron Drego hat mich zu seiner Hofkaplanin gemacht. Das kam so unerwartet für mich, dass ich gar nichts zu sagen gewusst hatte. So bin ich also nun bei Hofe. Es ist mir alles noch recht fremd, aber aus der gemeinsamen Zeit der Fehde kenne ich schon einige, auch wenn ich mich an den Verlauf des Lebens hier erst noch gewöhnen werden muss.

Obgleich ich dich gerne besuchen kommen möchte, so weiß ich noch nicht, wann dies möglich sein wird, denn die Verlobte des Barons wurde von Tsa gesegnet. Neu ist dir das freilich nicht, so warst du ja mit ihr und einigen anderen Getreuen in Erlenfall und ihre Umstände werden dir kaum entgangen sein. Und der Baron wünscht, dass ich bis zu ihre Niederkunft, die ich im tiefen Winter erwarte, stets in ihrer Nähe bleibe. Natürlich ist Rallingen nicht weit, aber dennoch ziehe ich es vor erst einmal hier auf Scharfenstein und in der näheren Umgebung zu bleiben. Nicht zuletzt bin ich die Ratgeberin des Barons und gerade in dieser Zeit, da es an Unterstützung aus Luring durch Graf Drego mangelt und die Gefahr durch die Waldsteiner nur verschoben, aber nicht aufgehoben wurde, braucht er Rat dringender denn je, auch wenn ich einfach nicht weiß, was ich ihm raten soll.

Möge die Herrin Peraine stets gut auf dich Acht geben!
 
 
 
 
Deine Schwester

Lindegard

Hofkaplanin

Gegeben im Efferd 1044, Peraine-Tempel zu Rallingen

An Ihre Gnaden Lindegard, Burg Scharfenstein

Liebste Schwester,
 
 
 
 
auch ich habe mit großer Freude von deinem neuen Amt erfahren! Überall spricht man darüber, Lindegard. Eine Peraine-Geweihte als Hofkaplanin, wer hätte das gedacht? Wohl keiner, werte Schwerter, keiner. Natürlich mag der Umstand, dass Baron Dregos Liebst von Tsa gesegnete worden ist eine Rolle bei deiner Ernennung gespielt haben, entscheidend wird allerdings deine Rolle an der Seite des Barons in der Fehde gewesen sein. Du musst einen guten Eindruck bei ihm hinterlassen haben! Mich verwundert das nicht, denn du bist eben nicht nur eine kundige Geburtshelferin, sondern auch eine begabte Heilkundige!

Leider fürchte auch ich, dass ich so bald nicht Rallingen verlassen werden kann. Ganz wie auch du muss ich mich zuerst einmal an mein neues Amt und die damit einhergehenden Verpflichtungen gewöhnen. Es war wohl ausgemacht, dass ich der Prätorin hier eines Tages folgen würde, doch das es sobald geschah war nicht geplant. So fehlt mir viel Erfahrung, Zeit und Wissen und dennoch muss ich diesem Tempel vorstehen. Es verlangt mir gerade viel ab. Ich denke, dass es dir auch nicht anders ergeht. Erst die Fehde und dann eine Aufgabe, der wir noch nicht richtig gewachsen zu sein scheinen. Ob unsere Herrin uns wieder einmal prüft?

Als Ratgeberin des Barons liegt eine schwere Aufgabe auf dir und dennoch bin ich sicher, dass du auch diese meistern wirst. Leider kann auch ich dir nicht sagen, was für einen Rat du ihm geben sollst. Vertraue auf unsere Herrin, Sternguckerin, sie steht uns immer bei und wird dir ganz gewiss auch jetzt beistehen.

Ich sehne jenen Moment unseres Wiedersehens bereits jetzt herbei. Bis dahin gib gut auf dich Acht!
 
 
 
 
Deine Schwester

Perainidane

Traviabund

Gegeben im Travia 1044 auf Burg Scharfenstein

An Ihre Hochwürden Perainidane von Erlenfall, Peraine-Tempel zu Rallingen

Liebste Schwester,
 
 
 
 
das Fest der eingebrachten Früchte liegt hinter mir, genauso wie der Traviabund des Barons mit seiner Verlobten. Die Zahl der Gäste war überschaubar gewesen, der Baron hatte nur einige wenige, darunter seine Familie und Freunde dazu eingeladen. Eigentlich hätte er wohl gerne eine große Feier dazu abgehalten, doch die Zeit drängte ihn diesen Schritt zu tun: Die Niederkunft seiner Gattin erwarte ich im Winter und ihm war es wichtig den Bund vor der Herrin Travia noch davor zu schließen. Es ging ihm wohl um die Legitimität seines Nachwuchses und die Sicherung der Erbfolge. Natürlich muss ich nicht erwähnen, dass Baron Drego seinen Namensvetter Graf Drego zum Traviabund eingeladen hat. Erschienen ist er jedoch, wie wir es uns gedacht hatten, nicht. Ein wenig betrübt über diesen Umstand wirkte Baron Drego dann schon. Mir scheint, dass er sich dem Grafen sehr verpflichtet fühlt, vielleicht sogar etwas zu sehr. Die Geburt seines Erben oder seiner Erbin will er jedoch groß Feiern.

Besonders enttäuscht war Baron Drego jedoch über das Fortbleiben eines Großteils seiner Familie. Seine Mutter kam nicht, weil sie nichts von der Braut hält. Man erzählt sich, sie habe ihrem Sohn als Erwiderung auf die Einladung geantwortet, dass sie es nicht für gut heißen können, wenn sich so eine dahergelaufene diebische Elster sich über ein Kind den Baronstitel sicherer. Das ärgerte Drego wirklich zutiefst, zumal nichts davon den Tatsachen entspricht: Das Wappen der Familie Rían zeigt eine Krähe und keine Elster. Die Reichsritterin war schon vor Dregos Belehnung von Tsa gesegnet und darüber hinaus bleibt der Baronstitel in der Familie Altjachtern, obgleich der Ehevertrag vorsieht, dass die Kinder wechselseitig den Familienamen Altjachtern und Rían tragen. Abgesehen davon, dass Drego ohne die Familie seiner Gattin und deren Verbündete Schwarztannen niemals hätte erringen oder gar die Waldsteiner so lange hätte beschäftigen können.

Neben der Mutter ich auch der Bruder des Barons nicht erschienen. Er stünde zu sehr im Einfluss seiner Mutter, heißt es. Gekommen sind jedoch seine Schwester, die Geweihte der Sturmherrin in der Stadt Überdiebreite in Waldstein ist und zu der Drego nicht viel Kontakt hat und sein Vater, der seine Gattin einfach nicht ausstehen kann und schon alleine gekommen ist, um ihr eins aufzuwischen. Trotz all dieser Umstände, war es eine schöne, kleine Feier.

Unser Wiedersehen rückt mit jedem vergangenen Tag stetig näher!
 
 
 
 
Deine Schwester

Lindegard

Zwillinge

Burg Scharfenstein, 16. Hesinde 1044 BF

„Er sieht Euch wirklich sehr ähnlich!“, versicherte ich dem stolzen Vater, der mit seinem Sohn im Arm auf der Bettkante saß.

„Meint Ihr...“, er schaute mich mit Freudenträne in den Augen an, „... meint Ihr wirklich, Schwester Lindegard?“

Ich bestätigte lächelnd und nickte: „Ja, ganz der Vater.“

Verzückt blickte er auf den gerade eben erst geborenen Knaben in seinen Armen herab: „Er soll Drego heißen. So wie ich.“

„Und wie Euer Freund, der Graf“, fügte ich nickend hinzu, „Ein guter und sehr passender Name. Gewiss wird der Graf sich geehrt fühlen.“

Baron Drego nickte versonnen: „Gewiss wird er das. Sein zweiter Name wird Danos lauten. Nach Danos, dem Ritterlichen.“

Wieder nickte ich.

„Als dritten Namen wird er einen Albernischen tragen. Das hat sich Orknäschen gewünscht und... Orknäschen?“, er wandte sich zu seiner Gattin um und fand sie schlafend vor. Neben ihr lag das Zweitgeborene, ein Mädchen, und schlummerte friedlich in den Armen ihrer Mutter. Zärtlich strich Baron Drego das noch feuchte Haar aus der Stirn seiner Liebsten.

„Lasst sie schlafen, Euer Hochgeboren“, riet ich dem frischgebackenen Vater, „Für den dritten Namen Eures Sohnes ist auch später noch Zeit.“

Er nickte, dabei fiel sein Blick auf das Mädchen und er erklärte: „Sie sieht aus wie ihre Mutter.“ Er seufzte. „Und sie ist genauso hübsch. So hübsch wie Orknäschen.“ Erneut nickte er. „Sie wird den Namen von Lechmin von Luring tragen. Und den von Hermine von Alka.“

„Wahrlich große Namen habt Ihr da für Eure Kinder gewählt“, schloss ich.

„Ja“, bestätigte der Baron nickend, „Sie sind etwas besonderes, Schwester Lindegard. Vermutlich werden das viele über ihre Kinder sagen, aber… aber ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass die Götter auch mir dieses Glück zuteil werden lassen. Und nun?“ Er wandte seinen Blick zu mir. „Nun habe ich eine Frau, die ich aus tiefsten Herzen liebe und zwei gesunde und wunderschöne Kinder. Was kann ich mehr wollen?“

Ja, was konnte er mehr wollen? Mehr als eine Frau, die er liebte, und zwei gesunde Kinder?

Belehnung

Burg Scharfenstein, 16. Hesinde 1044 BF

Noch am selben Abend stellte Baron Drego seine Kinder beim gemeinsamen Abendmahl seinem Hof vor. Während er den Knaben im Arm hielt, hatte er mir das Mädchen anvertraut.

„Die ist mein Sohn“, verkündete er stolz, „Mein Erstgeborener. Mein Erbe. Eines Tages wird er den Baronsreif tragen und mir nachfolgen. Wir gaben ihm den Namen Drego Danos Ruairi von Altjachtern.“

„So lasst uns trinken“, forderte die Heroldin Valaria von Wiesenthal die Anwesenden auf, „Auf den kleinen Drego!“

„Auf Drego!“, prosteten sich die Anwesenden zu und tranken.

„Und jenes Kind“, fuhr der Baron anschließend vor, „in den Armen Schwester Lindegards ist meine Tochter. Ein Mädchen so schön wie ihre Mutter. Sie trägt den Namen Luned Lechmin Hermine ni Rían.“

„Dann lasst uns wieder trinken“, erklang erneut die Stimme der Heroldin, „Auf die liebreizende Luned!“

„Auf Luned!“ Wieder wurde getrunken.

„Und weil dieser Tag ein ganz besonderer Tag ist, will ich meine beiden Kinder gleich auch mit eigenen Gütern ausstatten. Meinen Sohn Drego mache ich zum Edlen über Windau. Als seinen Vogt bestalle ich Fael ui Rían. Nehmt Ihr dieses Amt an?“ Der Baron wandte sich dem Ritter. Der Angesprochene erhob sich und erklärte: „Eine große Ehre, die Ihr mir da zuteil werden lässt, Euer Hochgeboren. Gerne nehme ich an.“ Nach einer förmlichen Verbeugung setzte er sich wieder.

„Und meine Tochter Luned wird Edle von Alden. Ihre Vögtin soll Eilein ni Rían sein. Wollt auch Ihr dieses Amt annehmen?“

Auch Eilein erhob sich: „Habt Dank für diese Ehre. Gerne werde ich Eurer Bitte nachkommen.“

Aussichtslos

Burg Scharfenstein, 17. Hesinde 1044 BF

„Die Geburt meiner Kinder“, eröffnete Baron Drego ungewöhnlich ernst seinen engsten Beratern, „Sie hat etwas in mir verändert. Ich bin für diese beiden unschuldigen Wesen verantwortlich. Ich bin es, der dafür sorge tragen muss, dass ihnen kein Leid widerfährt, dass sie behütet und beschützt aufwachsen. Doch, wie kann ich das?“ Er hielt einen Augenblick inne und blickte in die Runde. „Da draußen warten die Waldsteiner nur darauf, dass die Frist abläuft und sie wieder in Schwarztannen einfallen können. Und das werden sie, ohne jeden Zweifel. Und der Leusteiner?“ Er schaut mich einen Augenblick fragend an, „Er wird dafür Sorge tragen, dass es dieses Mal noch schlimmer werden wird. Dieses Mal wird nichts mehr von Schwarztannen übrig bleiben, sie werden alles besetzten und Scharfenstein verwundbar. Die Burg wird fallen.“ Nun schluckte er schwer. „Und ich mit ihr. Und ihr alle mit ihr.“ Wieder hielt er einen Moment inne und schenkte den Anwesenden einen vielsagenden Blick. „Doch noch schlimmer ist, dass es alle treffen wird. Wirklich alle. Und das Schlimmste ist: Es wird auch meine beiden Kinder und meine Liebste treffen. Und was dann?“ Der Baron, der am Kopf der Tafel saß, straffte sich.

„Eure Gattin und Eure Kinder könnte ihr immer noch in den Kosch zu deren Familie bringen. Dort werden sie gewiss sicher sein. Es ist nicht zu erwarten, dass das Fürstentum sich in die Fehde einbringt“, meinte die Rondra-Geweihte Elerea ni Rían, „Somit sind auch keine Angriffe von Zwischenwasser zu erwarten. Allerdings löst dieses Vorgehen das grundsätzliche Problem nicht...“

„So ist es“, Drego zuckt etwas hilflos mit den Schultern, „Im Fall des Falles, würde ich es natürlich vorziehen meine Liebst und unsere Kinder in den Kosch in Sicherheit zu bringen, aber... Ich würde meine Kinder nicht sehen. Sie würden ohne mich aufwachsen und die Waldsteiner, sie würden mich wahrscheinlich festsetzten. Ich würde noch immer Baron sein, doch... hätte ich keine Macht mehr, sondern die hätten sie, die Waldsteiner.“ Er seufzte schwer. „So sehr ich auch versuche meinem Hirn eine Lösung für dieses Problem abzuringen, es gelingt einfach nicht. Ich bräuchte dringend Unterstützung dem Grafen und... und ich kann es nicht verstehen, warum er mir niemanden schickt. Ja, der Reichsforst ist nahezu an allen Grenzen in Bedrängnis, aber...“

„Ihr werdet keine Unterstützung vom Grafen erhalten“, erklärte Yolande von Raukenfels, „Er zieht es vor alles gegen die Kaisermärker aufzubieten. Es scheint mir, dass ihm jener Kampf wichtiger ist oder... oder dass ihm jene, die sich dafür einsetzten wichtiger sind. Um es ganz klar zu sagen: Euer Namensvetter und Lehensherr lässt Euch im Stich!“

Einen Moment herrschte Schweigen.

„Vielleicht können wir Söldner anheuern?“, schlug Albur von Nordingen vor und fügte sogleich noch hinzu: „Wobei ich fürchte, dass das aussichtslos sein wird. Ich nehme an, dass alle zur Verfügung stehenden Kräfte bereits irgendwo gebunden sind und um sie abzuwerben fehlen uns vermutlich die Mittel. Die Schlunder und Kaisermärker werden in dieser Hinsicht besser aufgestellt sein…“

Fael ui Rían nickte: „Aussichtslos. Es gibt keinerlei Kämpfer mehr, die wir anwerben könnten oder die wir gut genug bezahlen könnten als dass sie sich auf unserer Seite stellen. Doch bin ich nicht bereit den Waldsteinern einfach so Schwarztannen zu überlassen, auch wenn sie uns ohne Verstärkung wieder vor sich hertreiben werden. Die Situation scheint recht aussichtslos...“

„Vielleicht sollten wir mit den Waldsteinern verhandeln?“, schlug ich etwas naiv vor, „Vielleicht lassen sie mit sich sprechen? Wenn wir Ihnen ein Angebot machen, dass sie nicht ablehnen können?“

„Und was für ein Angebot sollte das sein, Schwester Lindegard?“, wollte Fael ui Rían wissen, „Sie haben bereits geplündert was sie haben plündern können. Einzig in Erlenfall und Weißenstein gibt es noch etwas zu holen.“ Er zuckte mit den Schulter. „Außerdem sind sie uns zahlenmäßig weit überlegen, konkret bedeutet das für uns, dass es für sie keinen Sinn macht uns in irgendeiner Weise entgegen zu kommen. Es sei denn...“ Einen Moment hielt er inne und fixierte mich. „... wir schlagen ihnen etwas vor, was sie nicht ablehnen können und ich rede nicht von so etwas wie von dem Umstand, dass wir wegsehen, wenn sie durch Schwarztannen mit ihren Truppen nach Gräflich Luring ziehen...“

„Ganz abgesehen davon, dass es gewiss nicht im Sinne des Grafen ist, wenn wir mit ihnen verhandeln“, meldete sich Baron Drego zu Wort.

„Woher sollen wir wissen, was in seinem Sinne ist?“, wollte ich da wissen, „Ich habe nichts von ihm gehört. Ihr etwa, Hochgeboren?“ Der Baron schüttelte lediglich seinen Kopf. „Und ja, Ihr verdankt Graf Drego viel und dennoch hat er Euch im Kampf gegen die Waldsteiner nicht unterstützt und er wird euch auch nicht unterstützen.“

Entscheidung

Burg Scharfenstein, 17. Hesinde 1044 BF

„Ich habe befürchtet, dass Ihr das sagt“, murrte Drego von Altjachtern, „Und was soll ich Eurer Meinung nach tun?“

„Eine Entscheidung fällen, denn Ihr könnt Eure Familie nicht schützen, wenn Ihr ständig versucht es dem Grafen recht zu machen. Was ist Euch also wichtiger? Der Graf oder Eure Familie?“

„Meine Familie“, erwiderte er prompt, „Sie ist mir wichtig. Wichtiger als...“ Er brach ab. „Ailsa gibt mir Halt. Sie ist...“ Erneut hielt er inne. „Ich liebe sie sehr. Ich will sie nicht verlieren. Ich habe das für sie und unsere Kinder getan. Ich...“ Er schluckte. „Ich habe der Alka in die Augen geschaut, als sie starb und es.. es verfolgt mich. Ich.. ich weiß nicht, ob es richtig war, aber.. aber was hätte ich denn tun sollen?“ Nun zuckte er hilflos mit den Schultern und blickte Elerea ni Rían an: „Glaubt Ihr, es war richtig?“

„Hermine von Alka hätte nicht darauf eingehen müssen“, erwiderte sie mit fester Stimme, „Es war ihre freie Entscheidung sich darauf einzulassen. Ja, vermutlich hat sie gedacht, dass ihr ein einfacher Gegner seid, aber nun... die Sturmherrin hat sie für ihre Hybris bestraft, so wie es eben ihre Art ist. Die Herrin Peraine...“ Sie schenkte mir einen vielsagenden Blick. „... oder eine ihrer anderen göttlichen Geschwister hätte das gewiss anders getan, aber... ein Duell auf‘s Dritte Blut endet nun mal mit dem Tod eines der Kombattanten. Also kann ich Euch auf die Frage, ob es richtig war oder nicht ganz klar sagen: Ja, es war richtig.“

„Ich bin mir nicht sicher, was Eure Herrin uns damit sagen wollte. Auf welcher Seite steht sie denn jetzt?“, warf der Baron die Frage auf, „Auf der der Reichsforster oder auf der der Waldsteiner?“

„Sie steht auf Eurer Seite“, erwiderte die Geweihte, „Meine Herrin war doch diesbezüglich recht eindeutig oder der Schiedsspruch war es in diesem Punkt vielmehr: Sie steht weder auf der Seite des Hauses Luring, noch auf der Seite des Hauses Hartsteen. Somit steht sie auch nicht auf der Seite der Reichsforster. Weiter hat sie im Duell zwischen Euch und Hermine von Alka nicht nur deutlich genug gezeigt, dass sie das Verhalten der Waldsteiner nicht gut heißt, sondern auch dass sie nicht auf ihrer Seite steht. Warum sonst hättet Ihr gewinnen sollen? Ihr wart offensichtlich – und Ihr wisst das ich die Wahrheit sprechen – der Alka einfach nicht gewachsen.“

„Und was für einen Rat habt Ihr oder viel mehr hat Eure Herrin jetzt für mich?“

„Tut einfach das richtige“, erwiderte sie schlicht, „Tut, was getan werden muss. Meine Herrin steht auf Eurer Seite.“ Mit festem Blick schaute sie den Baron an. „Und hört auf das zu tun, was Ihr glaubt was Graf Drego von Euch erwartet. Zum einen wisst Ihr nicht, was er von Euch erwartet, zum anderen gibt es Verpflichtung zwischen Lehensherrn und Vasall denen auch er nachzukommen hat.“

„Was er nicht tut“, schloss Albur von Nordingen, „Und da er seinen Verpflichtungen Dir gegenüber nicht nachkommt gibt es für Dich keinen Grund Deinen nachzukommen. Ja, Du magst Dich ihm verpflichtet fühlen und Deine Ehre gebietet es Dir gewiss auch, aber – wie Schwester Lindegard es bereits sagte – musst Du Dich eben entscheiden: Entweder für den Grafen, wobei Du alles verlieren wirst, wirklich alles, oder aber Du entscheidest Dich dazu mit den Waldsteinern zu verhandeln...“

„Ihr solltet aber nicht selber gehen“, mischte sich Yolande von Raukenfels ein, „Ihr solltet jemanden schicken dem Ihr nicht nur bedingungslos vertraut, sondern der auch unauffällig genug ist. Jemanden, den niemand kennt und dessen Namen niemandem etwas sagt. Jemanden wie...“ Sie wandte ihren Blick zu mir. „... Schwester Lindegard.“

Angebot

Burg Scharfenstein, Firun 1044 BF

„Ihr werdet nach Hirschfurt reisen“, eröffnete mir Yolande von Raukenfels einige Tage später. Sie überreichten mir einen gesiegelten Brief und erklärte: „Dies wird Euch als Baron Dregos Gesandte ausweisen.“

Ich nahm ihn an mich, betrachtete das Siegel einen Moment aufmerksam und steckte ihn in mein Vademecum: „Und was werde ich dort, in Hirschfurt, tun?“

„Im Auftrag des Barons mit dem Seneschall, als direkter Vertreter der Gräfin, verhandeln“, erwiderte sie mir prompt, „Allerdings nun... nicht offiziell versteht sich.“ Sie hielt einen Moment inne, ehe sie sich auf einen der Stühle an dem runden Tisch setzte und mich auffordernd anschaut. „Gewiss versteht Ihr doch die Notwendigkeit diese ganze Angelegenheit erst einmal... hm... vertraulich zu behandeln?“

„Sicher“, erwiderte ich ihr und setzte mich ihr gegenüber.

„Gut“, meinte sie da und fügte hinzu: „Denn sonst hätte auch der Baron selbst gehen können. So lange wir kein endgültiges Ergebnis haben, darf nichts von diesem ganzen Vorhaben nach außen dringen. Aus diesem Grund werdet Ihr auch einen anderen Grund nennen, der Euch nach Hirschfurt führt.“

„Hm“, machte ich da, „Und welcher Grund wäre das?“

„Ein Besuch oder viel mehr Aufenthalt im Peraine-Kloster Sankt Grelmond“, einen Moment betrachtete sie mich nachdenklich, „Ich denke, dass niemand an dieser Erklärung zweifeln wird, wobei... Es liegt natürlich auch an Euch keinen Zweifel daran zu lassen. Schlüssig erscheint es jedoch: Das Kloster bietet nicht nur die Ruhe, die Ihr nach der ganzen letzten Zeit gewiss suchen könntet, sondern es ist eben auch eines Eurer Herrin, eines in dem Ihr nicht schon seit Eurer Geburt bekannt seid.“

„Ich nehme an, dass ich alleine gehen werde?“

„So ist es. Eine Begleitung wäre zu auffällig. Zudem – und das wisst Ihr gewiss besser als ich – sind Adelige im Kloster Sankt Grelmond unerwünscht“, gab sie zu bedenken, „Ihr werdet das gewiss auch alleine schaffen.“

Ihre Worte entlockten mir ein Schmunzeln: „Sagt, da Ihr nicht beim Seneschall vorstellig geworden sein könnt, weil auch Ihr zu bekannt seid, wie seid Ihr dann an dieses Treffen gekommen?“

„Ich stehe schon geraume Zeit mit einer Waldsteinerin in Kontakt“, erwiderte sie mir, „Sie hat dieses Treffen vereinbart.“

„Und sie ist... hm... vertrauenswürdig?“

„So vertrauenswürdig wie eine Geweihte des Listigen wohl sein kann“, meinte die Ritterin da und musste ihrerseits schmunzeln, „Lasst es mich so ausdrücken: Sie ist vertrauenswürdig genug.“

„Dann soll es so sei“, schloss ich, „Ich werde mein bestes geben, obgleich ich nicht einschätzen kann wie gut ich mich in einer Verhandlung mit einem Seneschall schlagen werde.“

„Verhandeln müsst Ihr nicht“, winkte die Raukenfelserin ab, „Ihr müsst ihm lediglich eine Botschaft überbringen. Ein Angebot.“

„Eines das er nicht ausschlagen können wird?“

„Das...“, ein Lächeln legte sich über ihre Lippen, „... werden wir sehen.“

„Und welches Angebot ist so brisant, dass Ihr es nicht niederschreiben wollt?“

„Eines, das alles ändert“, erwiderte die mir geheimnisvoll, „Also, Schwester Lindegard, hört mir nun gut zu...“

Der Raller treu

Verschwunden

Markt Rallingen, im Travia 1044 BF

Zeit zu sterben

Prolog

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.

Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute mich an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine Frau auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.

So war er, mein Herr, Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach Hause...

Wiedersehen

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?

„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... Marbodane?“

Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.

„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schulter. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“

Ich erwiderte ihr Lächeln und erwiderte: „Älter bin ich geworden, Tessia.“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, schleckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir auf ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.

„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch Dankwart und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.

„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem Herrn...“

„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“

Ich nickte.

Erinnerung

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Tessia schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“

„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein Herr war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn wer meiner ansichtig wurde...

„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die Haselburg gehen. Ich würde gerne sagen, dass Dankwart sich freuen wird, dich zu sehen, Marbodane, aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“

Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“

„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine Schwester nach dem Tod eures Vaters auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stet gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns Tsa diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“

„Bist du traurig darüber?“

„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.

„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“

Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.

Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es Lechdan? Wird er sterben?“

Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“

Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...

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