Geschichten:Von der Zucht und Haltung von Rindviechern - Herdenzucht

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Rahja 1046 BF, Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg

Warme aranische Winde zogen durch das westliche Perricum. Im Rosengarten von Schloss Rossgarten entspannte Korhilda von Sturmfels mit ihrem Gatten in einem schattenspendenden Pavillon, während er die Post aus Bärenau öffnete und hinüberreichte.

Korhilda lächelte liebevoll. "Die Brille nicht dabei?" Die Baronin warf einen Blick auf das Schreiben, um es anschließend ein wenig weiter weg zu halten. "Du wohl auch nicht", schmunzelte der Reichsvogt.

"Nein ich auch nicht, meine Arme sind aber noch lang genug. Iralda schreibt, dass sie sich wieder gut in Bärenau eingelebt haben, nach der längeren Zeit in Gareth. Das Getreide und Obst auf den Feldern ist gut gewachsen, sie erwartet eine gute Ernte in Bärenau."

"Leg mir ihren Bericht einmal zur Seite. Ich werde ihn mir beizeiten in Ruhe durchlesen. Was schreibt sie weiter?"

"Sie berichtet von unseren Enkeln, den Kleineren, die noch bei ihr wohnen. Storko" sie unterbrach mit einem Lachen. "Wir sollten beim nächsten Besuch aufpassen, wenn wir unsere Familie dort besuchen. Er ist ein kleiner Tüftler geworden und scheint gerade zu probieren, was man wie auseinanderbaut."

Leobrechts Gesicht strahlte, er liebte es von seinen Enkeln zu lesen. "Ah, Du meinst Vorsicht bei der Stuhlwahl."

"Ja genau. Der kleine Mann hat wohl schon einiges zum Zusammenbruch geführt. Iralda hat ihm nun eine kleine Werkstube eingerichtet. So kann er tüfteln und werkeln, ohne dass der Rest der Burginsassen darunter leidet."

"Ich werde ihn mal mitnehmen nach Wandleth zu den dortigen Baumeistern, dann kann Fobescha ihn herumführen. Das wäre doch ein wunderbares Tsatagsgeschenk. Was machen die beiden Nesthäkchen?" der Reichsvogt hatte Gefallen an seiner Idee, zu gerne besuchte er seine alte Heimat.

Korhilda blätterte um, Iralda schrieb gerne viel, was die Großeltern immer höchst erfreute. "Aldare ist wie immer ein Sonnenschein. Ein Wirbelwind sondergleichen. Sie haben beim Besuch in der Stadt Bärenau eine neue Zuckermeisterin entdeckt, die einst beim großen Marcipanus gelernt hat. Oh, ich weiß noch, als ich mit den Mädchen durch Gareth geschlendert bin, Aldare hat es immer wieder zu den süßen Törtchen hingezogen."

"Das ist ja auch lecker." Leobrecht strich über seinen wohlgenährten Bauch.

"Hardane scheint es in Bärenau besser zu gefallen als in der Kaiserstadt. Seit dem unsere Schwiegertochter die Kleine mit dem Jagdmeister der Baronie in die Wälder geschickt hat, scheint sie wie ausgewechselt."

"Da kann ich Hardane gut verstehen. Der Geruch der Tannenwälder, ein Blick auf die Berge ... und die Stille. Dagegen ist wirklich rein gar nichts einzuwenden.... Sie hat es mit den vielen älteren Geschwistern aber auch schwer. Setz bitte auf die Tsatagsliste für unsere Enkelin einen Hund oder einen Falken. ... doch lieber zuerst einen Hund."

Die Baronin zeigte ihrem Gatten noch ein paar gemalte Bilder, die Bediensteten reichten gekühlten Tee, währenddessen Aliyah diesen lieber in warm bevorzugte.

Die junge Aranierin lag auf einer Decke, den Müßiggang auslebend und bürstete ihre Edelkatze Nala, sie genoss die letzten Stundengläser auf Schloss Rossgarten und freute sich schon auf ein Leben in der Kaiserstadt Gareth. Die aranische Baroness versuchte sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Eine solch imposante Stadt hatte sie noch nicht gesehen.

Währenddessen wandelte ihr Verlobter Trisdhan mit seinem jüngeren Onkel Etilian, seinem Halbbruder Leowyn und seinem Freund Alion den gepflegten Rasen zu einem Immanfeld um. In Blickweite grauste es dem Gärtner schon davor das vorher fein gepflegte Gras wieder herzustellen, so große Furchen schlugen die Rabauken mit dem Schläger in ihr Spielfeld. Der Gärtner war wiederum hoch erfreut zu hören, dass es Trisdhan, alsbald zur Knappschaft zu Nimmgalf von Hirschfurten ziehen würde und auch der nebachotische Junge seinen Abschied vorbereitete, hatte er doch die Aufnahmeprüfung am Institut der Hohen Schule der Reiterei zu Gareth mit Bravour bestanden. Letzteres sehr zum Missfallen seines Vaters, war wohl die Mutter des Jungen hier die treibende Kraft.

„Am 30. Hesinde wird Trisdhan zwölf Götterläufe alt. Und Du willst es wirklich schon festzurren?“ Die Baronin wechselte das Thema, lag weiter entspannt auf einer Liege und blickte fragend zu ihrem Gatten.

Leobrecht nippte am Tee und versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen - es war ihm zu heiß. „Liebste, ja so hatten ich es mit den Eltern von Aliyah vor vier Götterläufen vereinbart und ich stehe zu meinem Wort. Iralda soll in dem Zuge auch die Heirat von Rohaja mit Alderan von Hartsteen-Rathsamshausen, und von Ophelia mit Thiolan von Ibelstein, sobald dieser zwölf Götterläufe geworden ist, vollziehen. Was Klein-Leobrecht angeht, bestimmt Elea das weitere Vorgehen, bis zum Ritterschlag der Erb-Baroness sind es noch ein paar Götterläufe. Bei Idamil warten wir auf den Ritterschlag Orlandes, so wie es vereinbart wurde, aber auch hier obliegt das Vorgehen dem Oberhaupt eines anderen Hauses. Lechmin ist dann im nächsten Götterlauf an der Reihe. Da ich schon ein älteres Semester vorweise, möchte ich alles geordnet haben, solange ich noch lebend auf Dere wandle. Die breite Basis muss stehen, damit ein neues Oberhaupt geregelte Verhältnisse vorfindet.“

Korhilda missfiel es, wenn ihr Liebster sein Alter thematisierte, daher quittierte sie die Aussage mit einem Klaps auf den Oberarm und einem giftigen Blick, wie ihn nur Ehefrauen erteilen können. „Du weißt ich hasse es, wenn Du Dein Ableben ansprichst. Aber wenn es Dir wichtig ist, werden wir eine kleine Feierlichkeit abhalten, auch die Eltern von Aliyah werden wir einladen.“

Der Reichsvogt brummte zustimmend. „Ich rede nicht über mein Ableben, sondern über die Zukunft des Hauses Ochs. Wenn es nach mir geht, werde ich als alter weiser Greis umscharrt von Enkeln und Urenkeln irgendwann friedlich einschlafen mit Dir stets an meiner Seite. Dennoch sollten wir uns bewusst sein, dass ich ein hohes Alter bereits erreichen durfte, wofür ich sehr glücklich bin. Aber kommen wir zu Trisdhan, wir, das Haus Ochs, werden einladen und im Schloss Rossgarten die Hochzeitsfeierlichkeiten abhalten, so es Dir genehm ist. Die Kosten trägt das Haus Ochs, da muss Du Dir keine Gedanken machen. Und ich werde auch noch eine weitere Vereinbarung zu einer Verlobung abschließen, die Verkündung ob lasse ich aber dem Baron von Sindelsaum."

Wie immer Fäden webend, dachte Korhilda über ihren Gatten. "Und auch über die garetischen Grenzen nach Sindelsaum hinaus? Sie sind retoscher Neuadel. Darauf lässt sich das Oberhaupt des Hauses Ochs ein?“ Korhilda die letzteres keines Falls ernst meinte, mochte es ihren Gatten in dieser Hinsicht zu necken.

Leobrecht rollte mit den Augen und fächerte sich Luft zu. „Ja, ja mach Dich ruhig lustig. Ich werde der Anfrage Erlans nachkommen. Das Haus Sindelsaum ist passend für unsere lesebegeisterte Tochter. Die Koscher sind gebildet, ich denke da nur an die Bibliothek des Dachbaus. Faszinierend dieses Hügelhaus. Alecha wird keinen pompösen Adligen mit wehrhafter Burg oder Traumschloss ehelichen. Aber es wird voller Koscher Gastfreundlichkeit sein und ihr hesindegefälliger gelehrter Kopf wird sich geistig weiterentwickeln können. Alecha mag es im Schlund, dann wird ihr der Kosch auch zusagen. Wir haben Erlan viel zu verdanken. Er hat sich über die Maßen gut um unsere Leonora gekümmert, sie beschützt als Garetien in Fehde verfallen war. Sie hat sich unglaublich wohl im Kosch gefühlt und sich zu einer respektablen Frau entwickelt. Und auch Idamil ist komplett begeistert von der Herzlichkeit der Koscher. Da werde ich über den Makel des Neuadels hinwegsehen, so wie sie darüber hinwegsehen, dass die Verlobte ein magisches Erbe in sich trägt. Für mich sind die Koscher in den letzten Götterläufen zu Freunden des Hauses geworden und Freundschaften müssen gepflegt werden.“

„Gut gesprochen, Liebster. Ich glaube, dieses ist eine bessere Wahl als es Ardor für Leonora war. Und Idamil ja, … Idamil verbringt sein Tagwerk jetzt in einer Senfmühle, hat er mir in seinen letzten Briefen geschildert.“ Allein der Gedanke daran ließ sie schmunzeln.

Leobrecht, der der Senfmühle wegen noch lachen wollte, erschrak als ein Immanball an seinem Kopf vorbeiflog direkt der Katze vor die Füße. Tobend stürmten Trisdhan und Leowyn zwischen der Baronin und dem Reichsvogt hindurch. Nala, die Aranierkatze mit dem langen Stammbaum, schaute den Ball pikiert an, er hatte ihr Samtkissen berührt. Eitel stupste sie die Kugel weg, und würdigte Trisdhan mit einem sehr aufgesetzten Blick des Todes. Mit einem lauten "Jungs!" rief der alte Ochse die Lausebengel zu sich. "Leowyn gib mir deinen Schläger, Trisdhan Du den Ball." Die Knaben richteten sich schon auf eine Standpauke ein, als der Reichsvogt den Schläger in die Hand nahm. "Ihr steht falsch zum Ball und durch die verdrehte Schlägerführung habt ihr keine Kontrolle über eben diesen. Guckt zu." Leobrecht erhob sich trotz der Hitze und ging auf die grüne - mittlerweile mit Furchen übersähte - Wiese und wies seinen Enkel an als sein Mitspieler zu fungieren. Leobrecht führte den Schläger äußerst behände und schlug einen gekonnten Pass. "So geht das."

Trisdhan, Leowyn und Alion schauten perplex in Richtung des alten Reichsvogtes, während Etilian seinen Vater gefühlt anhimmelte. "Papa, Du spielst Imman."

"Buben, als ich jung war hatte ich auch einen kleinen Sohn. Wolfaran liebte das Immanspiel." Der Ochse dachte nur an die vielen zerschossenen Fenster in der Villa Ox und die diversen Vasen, die durch einem Immanball in einem Scherbenhaufen endeten. "Und jetzt geht weiter nach hinten und passt ein wenig auf, wohin ihr schießt."

„Wo waren wir stehen geblieben, Hilda... Ach ja, Idamil. Seine Knappschaft wird er aber bei Halmar antreten und dann Erlan verlassen. Ich will ihm jetzt aber nicht aufzwingen sofort schon zu wechseln. Er ist so glücklich und Erlan ist wahrlich ein herzensguter Mensch. Und gegen leckeren Senf habe ich nichts einzuwenden.“

„Du wirst altersmilde. Strategisch ist ein Senfhersteller aber im Adel nicht zu gebrauchen.“

In Gedanken blickte der Reichsvogt der Efferdstränen in Richtung des Raschtulswalls, das Gebirge was alles veränderte im letzten Jahrzehnt. „Strategisch… ja… weißt Du noch als Tabur auf der vereisten Turmtreppe tödlich verunglückte. Da gab es nur noch Giselda, Anaxios und mich. Alle schon älter, meine Schwester außerhalb eines gebärfreudigen Alters. Vor nicht einmal fünfzehn Jahren war der garetische Zweig meines Hauses so gut wie ausgestorben. Aber nicht ich – nicht wir Ochsen – haben das Haus und seine Zukunft gerettet. Es warst Du. Du hast dem Giganten die Stirn geboten, Du hast mich dazu gebracht den Schritt zu gehen zu heiraten und unseren Kindern den Namen zu geben, den sie verdienen. Du wurdest mit Wasserburg belehnt und das verheißt uns eine glorreiche Zukunft. All Dein Zutun hat dazu geführt, dass wir wieder eine Ochsenherde sind und kein einzelnes klappriges Leittier. Die Furcht, das drohende Aussterben meines Hauses zu sehen, hat mich angetrieben im letzten Jahrzehnt. Wolfaran und Leonora haben sich mehr als bewährt. Sie haben sich ihren Status im Adel erarbeitet. Die Saat, die Du mit Deinen Taten gesät hast, erblüht. Ich muss also nicht alle unsere Kälbchen auf Erfolg trimmen, da darf ein Idamil auch Flausen im Kopf haben und in einer Senfmühle arbeiten. Er wird im Erwachsenenalter eine Waldsteiner Erb-Baroness heiraten, da sind große Politikspiele ohnehin ausgeschlossen. Die jungen Kälbchen werden ein wenig Narrenfreiheit erhalten.“ Das Oberhaupt des Hauses Ochs war nicht altersmilde, er wusste aber zu würdigen, welch Aufstieg und welch gute Bande sie schon erreicht und geknüpft hatten. Alles was die jungen Ochsen jetzt noch erreichen würden, war die zuckersüße Sahne auf einer Torte aus der Hand eines Marcipanus.

Korhilda wischte sich eine Träne weg und hauchte ihm einen liebevollen Kuss zu, so gerührt hatten sie seine Worte. „Es war immer ein wir. Gemeinsam können wir so viel erreichen, wo wir alleine scheitern würden. Ich bin dennoch gespannt, was aus unseren jüngeren Kindern und Enkeln wird, wenn sie nicht mehr in ordnende Bahnen gebracht werden. Und unser Bücherwurm, wie hat sie es aufgefasst?“

„Ich verspüre nicht mehr den Druck eines aussterbenden, sondern stattdessen die Freude eines aufstrebenden Hauses. Das heißt nicht, dass ich einen Ihnen einen horasischen Lebensstil - wie nennen sie es ... Laissez-Faire - zugestehen werde. Sie werden alle ihren Weg gehen, da bin ich mir sicher. Administration, Heer, ein anständiger Hof. Ich bin da frohen Mutes. Und wenn einer Abenteurer und Taugenichts wird, was ich nicht hoffe, dann werden wir das bei der Vielzahl an Kälbchen auch verschmerzen. Alecha hat sich, nachdem ich sie informiert habe, einige Bücher über magische Mysterien des Kosch geben lassen. Sie scheint es zu akzeptieren, ich glaube, wenn ihr zukünftiger Gatte ihr die Freiräume für ihre magischen Studien einräumt, wird sie ihm eine gute Ehefrau sein. Aber zuerst wird Helmbrecht in Knappschaft zu Iralda gehen. Erst bei Ritterschlag wird es zum Traviabund kommen. Da die beiden Versprochenen nun in Garetien verweilen, werden wir sie sanft aneinander gewöhnen.“