Geschichten:Von der Zucht und Haltung von Rindviechern - Wolfsrudel oder Ochsenherde

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Burg Ox, Baronie Viehwiesen Efferd 1047 BF

Gezankt hatten sie, wieder einmal waren die Ochsen dem roten Tuch hinterhergelaufen. Leobrecht stand auf den Mauern von Burg Ox, hier war es friedlich, er liebte den Tannenduft und genoss die Aussicht auf das Schlunder Vorgebirge. Korhilda, seine Gattin, hatte er eng angeschmiegt vor sich. Das bedeutete das reinste Glück für den Reichsvogt, an seinem Lieblingsort mit seiner Seelenverwandten.

"Ich komme gerade aus den Gemächern von Leonora." erhob der Reichsvogt seine Stimme, während Korhilda seufzte. "Sie versteht mich nicht, Liebster."

"So wie ich Dich jetzt in meinen Armen halte, habe ich sie umschlungen. Sie hat bitterlich geweint. Meine Worte hatten eine beruhigende Wirkung auf unsere Große. Sie soll das Positive an der Situation erkennen. Ihr steht viel mehr Freiraum zur Verfügung als es Ruben, Iralda oder Wolfaran je zustehen würde. Vielleicht wertet sie ihre gewisse Unabhängigkeit als Chance. Ich möchte das Thema nicht wieder aufgreifen. Du hast eine Entscheidung für Wolfaran in Wasserburg getroffen. Ich respektiere sie, teile sie aber nicht, das weißt Du."

„Ich danke Dir, ich kann nicht anderes, ich folge meinem Herzen, meiner Intuition, auch wenn es Leonora benachteiligt. Ich liebe alle meine Kinder - ich kann meine Entscheidung noch nicht einmal rational erklären."

"Hilda, ich weiß. Sie wird sich beruhigen. Es wird sie aber weiter bedrücken, daran lässt sich zurzeit und wahrscheinlich in Zukunft nichts ändern. Die ganze Ruben-Sache belastet mich."

"Nimm es nicht so schwer, Liebster.“ Seine Frau strich ihm sanft über seine umschlungenen Arme. „Sie verstehen es einfach nicht.“ Das Oberhaupt des Hauses Ochs haderte mit der nächsten Generation.

Die Baronin von Wasserburg drehte sich um, sie wollte ihrem Liebsten in die Augen blicken können. „Das hat nichts mit Verstehen zu tun, Iralda und Wolfaran haben gelernt, dass wenn sie etwas erreichen wollen, sie nur dafür kämpfen müssen.“

Der Reichsvogt seufzte. „Aber Hilda, hier gibt es nichts zu erreichen.“

„Ich bin mir dessen bewusst, den beiden ist es das aber nicht. Sie haben bisher gelernt, der Stärkere setzt sich durch. Denke an Iralda, sie hat alles gegeben, um die Baronie ihrer Vorväter zu erringen. Trotz aller Widrigkeiten hat sie es geschafft. Sie hat sich sogar für ihr Ziel ihre magischen Fähigkeiten ausbrennen lassen. Und Wolfaran hat gelernt, dass ein guter Name nicht alles ist. Er hat die Schmach mit der Mardershöh nicht vergessen, als Giselda starb und der Kaisermärker ihm vorgezogen wurde. Gleichfalls weiß er sich durchzusetzen, er hat ihn zuerst in die Reichsverwaltung und später an den Großfürstenhof gebracht.“ Die Finger der Baronin fuhren durch seinen mittlerweile grauen Kaiser Alrik Bart. Wie alt ihr Gatte geworden war, durch das Schimmern des Mondes im grauen Haar wurde es ihr bewusster vor Augen geführt.

„Die beiden vergessen dabei, dass sie es nie so weit geschafft hätten, wenn es keine stabile Familie im Hintergrund gegeben hätte. Sie werden sich alle zerfleischen wie ein Wolfsrudel an dem Tag meines Ablebens. Dabei sollte die Herde immer einig dem Viehtrieb folgen.“ Leobrecht fürchtete um die Zukunft seines Hauses.

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„Danke, dass ihr gekommen seid.“ Korhilda gegenüber saßen Iralda und Wolfaran. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter.

Der Jagd- und Forstmeister war ein wenig überrascht, dass seine Mutter beide zu sich bestellt hatte - ging es um Wasserburg und die harten Worte seiner Schwester?

Doch bevor er loslegen konnte, erhob die Baronin das Wort. „Ihr fragt Euch sicher, warum ich euch zusammengerufen habe. Ich bitte euch daher, lasst mich erst mein Anliegen vortragen, danach können wir in einen offenen Diskurs gehen.“

Die Baronin von Bärenau und ihr Gatte nickten, während die Sturmfelserin weiterredete. Korhilda nahm ein großes Buch, in dem Lesezeichen hinterlegt waren und gab es ihrer Schwiegertochter. „Iralda, bitte schlage zum gelben Band und lese Dir die nächsten fünf Seiten durch.“

Wolfaran blickte zu seiner Mutter. Bei seinem Vater hätte er schon hinterfragt, was das Treffen hier sollte. Seine Mutter bewirkte in ihm etwas Beruhigendes. Sie war sein Anker, sein Mensch, wenn er Nestwärme benötigte. Gleichzeitig war sie seine Heldin, die rondragefällige Streiterin, die nichts besiegen konnte. Er liebte sie so sehr. Was bezweckte sie mit diesem Treffen?

Eine beruhigende Stille lag in dem Raum, während Iralda die Blätter des Buches umschlug, wie in einer Bibliothek.

Die Bärenauerin hatte die Seiten gelesen und gab das Buch an Korhilda zurück. „Ich…“ wollte die junge Baronin sagen, als Korhilda sie bat ihr Anliegen später vorzubringen. Die Sturmfelserin nahm das Buch an sich und gab es zu Wolfaran. „Bitte ab dem roten Lesezeichen.“ Zusätzlich gab sie Iralda noch ein paar Briefe – Konversation zwischen ihrem Gatten Leobrecht und seiner bereits verstorbenen Schwester Giselda.

Sie setzte sich wieder in ihren Sessel zurück und Stille überzog ein weiters Mal den Raum.

Während Wolfaran noch las, hatte Iralda die Briefe gemeistert. Sie war in Gedanken, ob der gelesenen Seiten. Es dauerte ein halbes Stundenglas bis Wolfaran das Buch zuschlug und zu seiner Mutter schaute, die ihn milde anlächelte und ihrer Schwiegertochter das Wort erteilte.

„Ich …“ die Bärenauerin sammelte ihre Worte. „… so habe ich es noch nicht betrachtet. Ich denke, ich weiß, was Du mir sagen möchtest.“ Iralda gab Korhilda den Briefwechsel ihres Schwiegervaters zurück.

„Du möchtest, dass wir zu schätzen wissen, was wir haben und wer dafür verantwortlich ist, dass wir an diesem Punkt angekommen sind.“ Führte Wolfaran fort.

„Ich möchte, dass ihr Demut zeigt. Ihr konntet es schwarz auf weiß lesen, das sind die Geschäftsbücher des Hauses Ochs, die Bücher der Barone von Viehwiesen. Und das viele Geld, was sie investiert haben, damit Du Iralda, Bärenau überhaupt erringen konntest. Hinzukommend gibt der Schriftverkehr meines Gatten einen Einblick, wie Giselda im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Luidor war ihr Nachbar, sie kannten und schätzen sich. Die alte Dame hat alles versucht und konnte ihn überzeugen, Dir den Lehnseid abzunehmen. Du warst nicht seine erste Wahl.“ Korhildas Stimme blieb ruhig und einfühlsam.

„Sie haben viel Dukaten aufgebracht für Wasserburg. Ich wusste, dass es viel war, aber so viel hätte ich nicht gedacht.“ Wolfaran schaute ergeben zu seiner Mutter.

Korhilda legte ihre Hand auf die Schultern von Wolfaran und Iralda und blickte beiden tief in die Augen. „Viehwiesen wird in Zukunft das kleinste Lehen in Ochs Hand sein. Bärenau ist schon erblüht, nah an der Kaisermark und an der Goldenen Au gelegen. Es wird ein reicheres Lehen werden, als es Viehwiesen je sein könnte. Und Wasserburg, wenn es einstmals entschuldet sein sollte, wird durch die Lage an der Reichsstraße und durch seine Größe Viehwiesen überflügeln. Aber vergesst niemals – wirklich niemals, dass es Bärenau und Wasserburg als ein Lehen des Haus Ochs niemals geben würde, wenn Viehwiesen den beiden Baronien nicht mit viel Geld unter die Arme greifen würde. Das Haus Ochs hat sich weit aus dem Fenster gelehnt und hat tief in seine Rücklagen gegriffen, um Euch beiden die Möglichkeit zu geben als mittelreichische Barone herrschen zu können. Ich weiß ihr strebt danach Verantwortung zu übernehmen und seid gewillt das Haus anzuführen. Ihr könnt das auch – ihr beide bringt alle Fähigkeiten mit. Doch steht es euch nicht zu. Viehwiesen hat so viel investiert und wofür, dass ihr es nicht respektiert und ihr es untergrabt? Seit hunderten von Götterläufen hält es das Haus Ochs im Hochadel. Standfest gegen alle Widrigkeiten. Ihr solltet das Respektieren und dankbar sein. Vielleicht wird die Zeit kommen, dass das Oberhaupt des Hauses Ochs vom Baron von Bärenau oder Baron von Wasserburg gestellt wird. Die Zeit ist aber noch nicht jetzt. Solange der Baron von Viehwiesen kein Magier ist, wird er das Oberhaupt sein. Ihr seid Mitglieder eines alten Hauses, kein Rohajascher Neuadel. Ihr wollt den Namen stolz tragen, dann werdet ihm auch gerecht. Mehr habe ich dem nicht hinzuzufügen.“ Es war etwas passiert, das selten geschah, Korhilda mischte sich ungern in die Belange des Hauses Ochs ein, aber durch das Leid ihres Gattes, sah sie sich gezwungen über ihren Schatten zu springen.

„Wolfaran, Du bist ein guter Junge. Mein Erstgeborener, mein ganzer Stolz“ Die beiden schauten sich tief in die Augen. „Bringe es Ruben bei, die politischen Ränkespiele, werde sein Mentor. Es bleiben Dir noch zehn Götterläufe bis zu seinem Ritterschlag. Du kannst es, das hast Du bewiesen, mehr als einmal. Das Haus Ochs hat viel gewagt, unter Deinem Vater ist das sonst so eigenbrötlerische Haus in eine expansive Phase getreten. Wir beide wissen, er ist in seinem letzten Lebensdrittel angekommen. Bitte führe seine Visionen fort und halte die Tradition bei. Er blickt so freudig auf Euch und Eure Kinder. Vergoldet sein Vermächtnis, zerstört es nicht.“

Korhilda merkte wie Wolfaran mit sich haderte und Iralda das Gesagte überdachte. Sie hoffte, dass ihre Worte verstanden wurden.

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Anaxios sagte, Du hast Stundengäser mit Iralda und Wolfaran in seinem Schreibzimmer verbracht? Beide waren so still anschließend.“ Leobrecht wusste nicht, was seine Frau heute Morgen so früh aus dem Ehebett trieb.

„Mein Liebster, Du bist ein solch hervorragender Diplomat. Unser Sohn ebenso, doch wenn ihr beiden zusammentrefft, vergesst ihr Eure Fähigkeiten. Ein Leitochse gegen den anderen. Ich habe versucht, Iralda und Wolfaran dazu zu bringen, eigenhändig einzusehen, wo ihre Stellung ist und was ihre Aufgaben sein werden.“ Korhilda küsste sanft ihren Gatten.

„Und hattest Du Erfolg?“

„Es wird kein Wolfsrudel werden, dieses Versprechen werde ich Dir geben. Ich hoffe sie sehen es selbst ein, ich glaube sie müssen den Stein ein ums andere Mal noch den Hügel hinauf rollen, wie Ingramm sagen würde, um es zu verinnerlichen. Aber beide sind klug und einfühlsam, ich hoffe das Beste. Wenn nicht, werde ich die Herde mit meiner eigenen Hand wieder zusammentreiben werde. Ich bin kein Mitglied Deines Hauses, aber ich werde niemals zulassen, dass Dein Andenken von irgendjemanden zerstört wird. Ich hoffe Du erteilst mir hierzu Deine Erlaubnis, sollte der Tag kommen da Du dieses nicht mehr regeln können?“

Leobrecht wischte seiner Frau eine Träne weg. „Oh Hilda, das musst Du nicht tun. Aber ich danke Dir dafür – unendlich sogar.“

Sie schmiegte sich fest an ihren Gatten. "Mütter können besser mit Söhnen, Väter mit Töchtern. Ich hoffe wir konnten gemeinsam dazu beitragen uns besser zu verstehen."

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Iralda und Wolfaran standen auf einem Balkon von Burg Ox und blickten in den Innenhof. Der Kälberstall – wie alle Erwachsenen des Hauses die reiche Kinderschar nannten – tobte durch den Innenhof.

„Ich hasse es, wenn sie das tut“. Wolfaran ergriff zuerst das Wort.

„Aber sie hat Recht, ohne Viehwiesen hätte ich Bärenau niemals erringen können. Ich hätte auch nicht gedacht, dass Leobrecht und Giselda diplomatisch so viel im Hintergrund geleistet haben. Ich törichter Narr dachte, ich hätte Graf Luidor mit meinen Handlungen von mir überzeugt. Ich war naiv. So dumm.“

Wolfaran schaute dem jungen Ruben nach. Der Bursche mit den blonden Locken war noch im Pagenalter. Wie er selbst wurde der Junge ausgebildet am Schlunder Grafenhof. „Mit Vater kann ich mich wunderbar streiten. Einer von uns beiden trifft immer den Tonfall, der den anderen aufwühlt. Aber Mutter weiß, wie sich mich nehmen muss. Ich tue mich schwer, sie enttäuschen zu wollen. Das sie sich jetzt aber einsetzt und in Befindlichkeiten des Hauses Ochs eingreift, hätte ich nicht erwartet. Dann ist es ihr wichtiger als ich dachte. Oder ich habe mich so sehr verrannt, dass ich sie gezwungen habe das zu tun.“ Der Baron schmiegte sich an seine Ehefrau. „Vater würde jetzt sagen, kein Joch zu groß. Bin ich an dem Punkt angekommen?“

Iralda blickte über den grünen Dunklen Tannicht hoch zum Wurmberg. "Wenn ich hier oben auf Burg Ox stehe und auf die Berge schaue, kann ich euch Schlunder verstehen. Es ist wirklich atemberaubend der Ausblick. Wir sollten versöhnlicher agieren. Ich fühle mich schuldig und Du solltest es auch, wenn man bedenkt, welch Geld wir in unseren Baronien verbrannt haben für die Möglichkeit herrschen zu dürfen. Lass uns zuerst unsere Schuld abbezahlen - damit meine ich nicht das Geldliche. Denn das Haus Ochs hat uns keine Schulden angelastet."

Wolfaran grübelte, ihm gefiel die Situation, in der er sich befand, ganz und gar nicht. "Wenn ich eine Hartsteenerin schon davon überzeugen konnte, dass der Schlund traumhaft ist, dann ist wohl alles möglich. Ich erkenne an, dass ich zu Dank verpflichtet sein muss. Als ich ein Bastard war wollte ich unbedingt ein vollwertiges Mitglied des Hauses sein. Jetzt bin ich es und hadere dennoch damit. Vaters Vermächtnis möchte ich nicht zerstören, ich möchte den Weg weitergehen. Du möchtest das auch, Leonora ebenso. Ich komme mir nur vor wie an einer Weggabelung der Stadt Ruchin. Viele Wege führen zum Wyrmberg, doch jeder von uns möchte einen anderen wandern."

"Meinst Du eigentlich in der Legende über den Riesenlindwurm Antaxil ist ein Tropfen Wahres?" Die Bärenauerin war immer noch tief beindruckt von dem Gebirgszug. Sie hatte gelesen, dass eine auffällig schwarze Felsformation in der Nähe der Spitze in dem ansonsten eher rosig gefärbten Gebirgszug, den verbrannten Eingang seiner Höhle markieren sollte. "Lass uns zu forderst um unsere Lehen kümmern, vor allem Wasserburg ist noch ein gefallener Riese. Wir haben viel vor uns, wenn wir unseren Kindern ein reiches blühendes Lehen übergeben möchten. Vielleicht kannst Du der Bitte Deiner Mutter nachkommen, und wohlwollend ein Auge auf Ruben werfen. Wäre es für uns nicht auch das Beste, wenn er sich Dir verbunden fühlen würde?"