Geschichten:Das Gespräch zweier Bauern aus Birkenweiher
Auf einem Feld bei Birkenweiher im Sommer, Ende Praios 1046 BF:
Ein heißer, goldener Nachmittag im Junkertum Birkenweiher. Zwei Bauern stehen nebeneinander auf dem Feld, wo die Äpfel an den Zweigen hängen und sie unliebsames Gewächs mit der Hacke entfernen. Die Sonne brennt vom Himmel, und die Luft ist von der Hitze des Nachmittags geschwängert.
"Also, Erkenbert," beginnt der Große, Pelayo, während er sich den Schweiß von der Stirn wischt, "was stand in diesen Schriften, die in der Schänke hingen, bevor die Peraine-Geweihte sie wütend abgerissen hat? Hab gehört, da standen große Dinge drin."
Erkenbert, der Kleinere, runzelt die Stirn, schiebt ein paar Äste zur Seite und setzt sich auf einen niedrigen Baumstumpf. "Naja, ich hab’s mir angesehen... aber Lesen ist nicht gerade leicht. Die Buchstaben tanzen vor den Augen, und selbst wenn man sie zusammenkriegt, macht's kaum Sinn."
Pelayo schnaubt und stützt sich auf seine Hacke. "Buchstaben tanzen? Na, besser als diese dummen Wespen, die mir ständig um den Kopf fliegen. Und, was stand da nun? Was sagen die Leute in der Schänke?"
Erkenbert kratzt sich am Kopf, versucht sich an die Worte zu erinnern, und zieht einen zerknitterten Zettel aus seiner Tasche, auf dem er versucht hat, den Text vom Aushang zu fixieren. "Na ja, ich hab’s versucht... aber was ich lesen konnte... da stand was von Gleichheit. Alle sollen gleich sein, ob Bürger, Unfreier oder Adliger. Jeder soll über sich selbst bestimmen, und... irgendwas mit Bildung für alle."
Pelayo lehnt sich auf seine Hacke und blickt auf die bald reifen Äpfel, die schwer an den Bäumen hängen. "Bildung? Ha, lass das mal den Junkern sein! Wir haben genug zu tun mit der Ernte. Sollen wir jetzt alle die Gelehrtenbank drücken?"
Erkenbert zuckt mit den Schultern. "Genau! Und dann noch was von 'gerechtem Anteil'. Ich hab' doch mein Stück Land, die Vögtin ist gerecht, und ich hab zu essen. Mehr will ich nicht. Aber die Wirtin meinte, es wären Texte aus der Stadt, von Leuten, die meinen, sie wüssten alles besser."
"Die Stadtleute," brummt Pelayo. "Was wissen die schon von uns? Die können vielleicht schöne Worte spinnen, aber davon wächst mein Feld auch nicht schneller. Weißt du, was ich brauch’? Dass die Äpfel gut werden und der Cidre läuft, das ist alles."
Erkenbert starrt auf die Zeilen, die er kaum entziffern kann, als ob er mehr aus ihnen herauslesen könnte. "Ja, Pelayo... manchmal denk ich mir, wenn ich die Wörter richtig versteh', werd ich klüger. Aber ehrlich gesagt, je mehr ich lese, desto mehr bin ich verwirrt. Lass die klugen Köpfe darüber reden, ich mache lieber meine Arbeit."
Pelayo nickt. "Genau so. Lass die Wörter mal alleine tanzen. Wir lassen jetzt mal die Hacken tanzen. Dann haben wir eine schöne Ernte, und am Ende ist der Cidre doch der bessere Freund als all das Gerede in der Schänke."
Die beiden Bauern lachen kurz, dann machen sie sich wieder an ihre Arbeit, während die Blätter und reifen Äpfel über ihnen leise im Wind rascheln und der heiße Sommertag seinen Lauf nimmt.
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