Geschichten:Das Summen - Der Schwärmer
Burg Finsterbinge, Rondra/Efferd 1046 BF
Malina, die Rittmeisterin und Schwarmherrin der Reshminianer, hatte sich erneut, nach dem üblichen Tagwerk, an den verborgenen Altar zurückgezogen. Alderan von Zillingen, mittlerweile genesen in den Armen der Gemeinschaft und sowas wie ihre rechte Hand, war auch zugegen, ebenso wie der von Beginn an eingeweihte Salvon von Grenadian. Gemeinsam lauschten sie dem Summen und Surren und bemerkten, wie sich ein weiteres, sehr kräftiges Brummen näherte, das und sich unter zu dem bereits vorhandenen gesellte. Just in dem Moment, als es am lautesten war und sich fast mit dem ihren verband, trat Talvia vom Turm in den Raum. „Meine Brüder, Schwester, Herrin. Ein Mann steht vor den Toren Finsterbinges. Er sagt er wäre ‚ein Schwärmer‘ von weit her und folge dem Ruf von Gleichgesinnten.“
Malina von Niederriet – oder von nun an Xiria vom Darpat – war noch immer völlig überwältigt, dieses Gefühl war noch größer gewesen, als der Moment, als das Summen in den Katakomben ihr ihren Schmerz über den Verlust des Kindes genommen hatte. Nun war sie nicht nur nicht länger verwundet, sondern war geheilt, nein, gestärkt. Nun konnte sie das Summen in ihr und um sie herum kanalisieren, sie konnte es tatsächlich körperlich spüren. Sich selbst darin erkennen und auch alle ihre Getreuen. Und selbstverständlich auch den Fremden, den Schwärmer. Dieser war aus dem fernen Horasreich aufgebrochen, nachdem ER sich ihnen offenbart hatte. Als sie eine erste Schlacht verloren hatten, war einigen unter ihnen die Erkenntnis gekommen, den Schwarm erst mehren zu müssen, bis niemand sich mehr dem Summen widersetzen könnte. So waren einige von ihnen ausgeschwärmt, um dem Summen zu folgen - dorthin, wo andere es auch vernahmen. Und wo hätte es ihn anders hin verschlagen können als hierher, ins Herz der Leuin´ Lande? Der Stachel der Hornisse sollte sich hier tief ins Fleisch bohren, wo die Seele IHRER Kirche zuletzt so gelitten hatte. Und als er Malina das erste Mal ansichtig geworden war, hatte er gewusst, hier in das richtige Wespennest gestochen zu haben. Ihr, der Königin des Schwarms am Darpat, hatte er die Kraft weitergegeben, die ihm und den seinen vom Herr der Myriaden verliehen worden war – sie war nun initiiert und würde die ihren mit neuer, ungeahnter Kraft und Sicherheit führen können, als Einheit, als ein Teil einer noch größeren Gemeinschaft.
Der Schwärmer war gegangen, doch hatte er ihr noch gesagt, dass es nun an der Zeit wäre, sich nach und nach aus der Deckung zu wagen. Die zuletzt gelebte Isolation und Kontemplation Stück für Stück zu verlassen und den nächsten Schritt zu wagen. Nicht etwa, wie es die Rondrianerinnen taten - offen und mit dem Schwert voran - sondern mit Strategie und Plan. Malina/Xiria hatte ihm beigepflichtet, hier hatten sie eine gute Ausgangslage, einen eingeweihten Kern, eine Einnahmequelle, eine gewissen Stand und Tradition und weitere (zum Teil noch uneingeweihte) Vertretungen an der Reshmina-Brücke, in Gluckenhang und in der Hauptstadt am Hofe. Der Schwärmer hatte Recht, es war Zeit, die alten Strukturen zu verlassen und neue zu etablieren, den nächsten Schritt zu wagen und sich aufzustellen. Der Schwarm müsste wachsen, langsam, aber unaufhaltsam, bis die Zeit des Umbruchs käme. Sie schlug die Augen auf, um sie herum surrte und brummte es, ein Stich würde die Leuin nicht kümmern, aber hunderte könnte sie nicht mehr ignorieren.
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