Geschichten:Der Ruf der Treuenklamm – St. Bulwarth
Travia-Kloster St. Bulwarth zu Immering, Kaisermark Gareth, Ende Rahja 1046 BF:
So zog es Schwester Alwa zusammen mit ihrem angetrauten Bruder Marbert und ihrem kleinen Sohn Badilak in die Ferne. Unbehagen schnürte sich um den Brustkorb der jungen Geweihten wie ein zu enges Mieder. So weit weg hatte sie sich noch nie von den Klostermauern entfernt. Sie musste sich eingestehen, eigentlich hatte sie bisher die gräflichen Lande Silz niemals verlassen. Warum auch? Und nun sollte sie viele, unzählige Meilen quer durch das Königreich reisen. Der Göttin sein Dank hatte sie Marbert und den kleinen Badilak bei sich.
Überwältigend waren die Eindrücke von der Kaisermetropole Gareth. Wie konnten so viele Menschen nur auf einem Schleck leben, Alwa verstand es nicht. So viel Sonne und doch so viele Schattenseiten. Gareth wirkte beängstigend auf die junge Geweihte. Ein Balsam für ihre Seele war der Dienst an der Göttin im Tempel der Einkehr, ein sakraler Bau, der sich weit über die Häuser des Schlossviertels erhob. Noch nie hatte Alwa einen so großen Tempel gesehen. Es war ein erhabenes Gefühl, durch die hohen Tore zu schreiten. Lange versank sie im stillen Gebet, denn die Kaiserstadt schreckte sie nicht nur ab, sondern zog eine gewisse Anziehungskraft auf sie aus. Die Stadt, die niemals schlief, in der nahezu alles zu haben war, weckte Bekehren, von denen sie gehofft hatte, dass sie diese überwunden hatte.
Die Namenlosen Tage verbrachten Alwa, Marbert und Badilak im Travia-Kloster St. Bulwarth zu Immering etwas außerhalb der Kaiserstadt. Das Kloster ging zurück auf einen Hof in Immering des Travia-Geweihten Bulwarth Travintreu, der hier während der Namenlosen Raserei 454 BF den Tod fand. Danach wurde der Hof stetig zu einer weitläufigen Klosteranlage ausgebaut, die gemäß der Heiligenlegende stets auch wehrhaft war und die Klostergemeinde vor den Gefahren der Außenwelt schützen sollte. Dennoch wurde das Kloster mehrfach Opfer von Plünderungen und Bränden, namentlich im ersten Orkensturm 600 BF und beim "Vierten Inferno" 752 BF. Auch im Zweiten Orkensturm drangen Orks in das Kloster ein und steckten die Bibliothek in Brand. Aus diesem Ghrund war nicht bekannt, ob die Immeringer immer schon eine besonders rigide Auslegung der schon strengen Sitten und Regeln der Travia-Kirche folgten. Die Chroniken des Klosters sind nicht überliefert worden.
Der Klostertempel der Travia war ein heimelig eingerichteter Bau mit einem zentralen Herdfeuer, um das herum viele Familien sich zum Essen setzen könnten. Das Portal schmückten die figürlichen Darstellung Sankt Bulwarths und der Zweiflerin Timosa, die kurz vor Bulwarth den Tod fand, weil sie sich seinen frommen Anordnungen nicht unterwerfen wollte. Sie war mit verbundenen Augen dargestellt, die Heilswahrheit der Travia nicht schauend.
Die meiste Zeit während der Namenlosen Tage verbrachte Alwa betend. Sie betete dafür, dass alle Rechtschaffenen die dunklen Tage gut überstehen würden und sie betete dafür, dass sie den Verlockungen der Großstadt widerstehen würde. So war sie fast schon erfreut, als die kleine Pilgergruppe am 1.Praios die Klostermauern hinter sich lassen konnte. Der Ruf der Treuenklamm hallte in ihrem Geiste nach.