Geschichten:Die Toten machen keine Fehler

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Er sah sich um. Definitiv kein Ort, an dem er sich gerne aufhielt. Noch nie gewesen, was etwas absurd war, denn seine vornehmste und wichtigste Aufgabe war es, diesen Ort zu schützen. Schützen? Pah! Im Grunde genommen war er ein besserer Gärtner, der darauf achtgeben sollte, dass die Gräber hübsch blieben, die Sträucher und Büsche nicht wild wucherten, die Wege frei blieben und jederzeit irgendeine weihrauchschwenkende Prozession ungehindert von Alrik zu Eslam und zurück paradieren konnte. Pah!

Zeit seines Lebens hatte er diese Aufgabe gehabt, wie sein Mutter schon vor ihm und sein Großvater. Ihr Götter! Der Großvater! Der Heilige Volkmar, 50 Götterläufe Obergärtner im Tal der Kaiser, das prägt. Opa hatte sich doch am Ende gefühlt, als wäre er selbst einer von ihnen. Ein Kaiser! Pfff. Immerhin hatte er sich doch wahrhaftig hier beerdigen lassen – ein Grab für einen Illgeney „im Grund“, welche Ironie. Wie sehr er den Alten gehasst hatte! Ein Gärtner zwischen Kaisern. Lächerlich.

Genauso lächerlich wie dieses nächtliche Abenteuer hier. Boroquin zog den Mantel enger um sich. Diese Perainenacht war noch sehr kalt, aber Vollmond war Vollmond, und das Angebot dieses Giftmischers war ebenfalls gut: Gegen ein bisschen Mumienpulver aus kaiserlicher Herkunft sowie auf den Knochen seines Großvaters wollte dieser Trankmischer etwas sehr Lukratives mixen. Ein Elixier, das Jugend und Ausstrahlung verhieß. Zwei Dinge, die Boroquin langsam aber sicher auch ausgegangen waren. Vor allem Jugend. Bei manchen wirkte er noch als „gepflegter Greis“, die „mittleren Jahre“ waren schon lange vorbei.

Ein Geräusch ließ ihn hinter einem Busch verharren. Da: Eine Gestalt kam den Pfad entlang! Boroquin wagte kaum auszuatmen. Verrückt – in seinem eigenen Tal! Pah! Außerdem war es sowieso nur einer der Boronis aus dem Tempel. Bramaban Cayros war es, der Schnüffler. Was machte der hier mitten in der Nacht? Beinahe wäre Boroquin aus dem Schatten getreten, um den Geweihten zur Rede zu stellen, doch rechtzeitig fiel ihm ein, dass er kaum erklären konnte, was er selbst hier machte. Viel weniger eigentlich als ein Borongeweihter. Der gehörte schließlich hierher. Nachts auf dem Friedhof hatten nur Borongeweihte und die Toten etwas zu suchen. Boroquin schauderte wieder, wartete noch ein paar Minuten, um dann weiter zu schleichen.

„Psst?“ zischte er, als er endlich am Grab seines Großvaters angekommen war. Das war bereits geöffnet, wie er mit Grausen bemerkte. Zwei kräftige Typen standen darinnen und reichten einem dritten Knochen heraus, die dieser in einen groben Sack verstaute.

„He, Kormin, seid Ihr das?“

„Keine Namen!“, raunte der Angesprochene zurück und schnürte den Sacke zu. „Das waren alle, die ich brauche, kommt heraus.“

„Seid Ihr fertig?“, wollte Boroquin wissen.

„Ja.“

„Was mache ich dann hier, wenn Ihr mich gar nicht brauchtet?“

„Wir brauchen Euch doch, seht.“ Kormin winkte Boroquin näher an das offene Grab heran, aus dem die beiden Typen eben herausgestiegen waren, um ihre Schaufeln wieder aufzunehmen.

„Wo?“

„Na, hier“, zeiget Kormin in die Grube.

„Ich sehe nichts.“

„Nie wieder“, schnaubte einer der beiden Grabräuber und ließ seine Schaufel mit der Kante kraftvoll auf den Schädel des Junkers vom Kaisertal herabsausen. Mit einem hässlichen Geräusch brach der knochen, Boroquin sank zu Boden.

„Schnell jetzt. Von dem brauche ich die gleichen Knochen wie von seinem Großvater.“

Die Grabräuber gingen an ihr schauriges Werk und füllten einen zweiten Sack mit dem Gewünschten.

„Wie hast du ihn den nachts hier herausgelockt?“, wollte einer der Grabräuber wissen.

„Mit seiner Eitelkeit. ich habe ihm ewige Jugend versprochen und wieder unschlagbaren Erfolg bei den Frauen.“

Beiden lachten. Dann warfen sie die Leiche des Junkers vom Kaisertal zu seinem Großvater ins Grab und verschlossen es sorgfältig, eh sie sich vom Boronacker machten.

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„Wie bist du darauf gekommen?“, wollte Aurol Junavero am Buche wissen.

„Ich hatte nachts etwas gesehen, aber weil ich ja allein im Tempel war, wollte ich kein Risiko eingehen und bin erst am Morgen auf die Suche gegangen. Das Grab war gut wieder geschlossen worden, aber ich habe es trotzdem gesehen. Niemand kann ein Grab öffnen und schließen, ohne dass man es bemerken kann.“ Bramaban berichtete mit seiner unaufgeregten, fast monotonen Stimme.

„Gut. Die Familie wünscht, Junker Boroquin dort zu bestatten, wo er gestorben ist: bei seinem geliebten Großvater, der über 50 Jahre dieses Tal so sicher und gut gepflegt hat. So finden die Generationen im Tode zueinander. Das regeln wir alles am nächsten Praiostag. Jetzt schickt Nachricht an den Orden vom Bannstrahl. Gut, dass Boroquin diese Notiz geschrieben hat, wen er treffen wollte.“

„Leichtsinnig von diesem Kormin, seinen eigenen Namen zu benutzen“, bemerkte Bramaban im Gehen.

„Er war sich seiner Sache zu sicher. Er wird gedacht haben, die Toten zu bestehlen, würde niemand bemerken. Ein Fehler der Lebenden.“

Aurol lächelte matt: „Nur die Toten machen keine Fehler.“