Geschichten:Verrat in der Raulsmark
Villa Geldana, Neu-Gareth, vor einigen Wochen ...
Arvo von Weyringhaus-Herlogan, Oberst der Raulsmärker Garde, hatte eine steile Falte auf der Stirn: "Das ist eine schwerwiegende Anschuldigung, die Ihr da erhebt, Thesia."
"Ich weiß", erwiderte die Leibmedica des Burggrafen Oldebor. "Deswegen habe ich auch so lange gewartet. Ich wollte mir vollkommen sicher sein, bevor ich zu Euch komme."
"Und Ihr habt wirklich nicht den geringsten Zweifel?"
"Es passt alles einfach zu gut zusammen. Euer Vetter vertraut genau zwei Menschen, wenn es um seine Gesundheit geht - dem Magus und mir. Und versteht mich nicht falsch: Tarlion von Donnerbach ist wirklich ein guter Heilmagier, soweit ich das beurteilen kann. Aber als Seine Edelhochgeboren dann unter dieser rätselhaften Krankheit litt ..."
"... die er doch inzwischen überstanden hat!"
"Mag sein, mag sein. Aber denkt daran, dass es Rückfälle gegeben hat. Und denkt vor allem daran, _wann_ es diese Rückfälle gegeben hat!"
"Worauf wollt Ihr hinaus?"
"Erscheint es Euch nicht merkwürdig? Der erste: wenige Tage, bevor Tarlion auf eine monatelange Expedition in den Raschtulswall hätte aufbrechen sollen - bei diesem Gesundheitszustand des Burggrafen natürlich undenkbar. Kaum war die Expedition verschoben, besserte sich auch die Krankheit. Der zweite, kleinere: unmittelbar vor dem Besuch einer Delegation des Ordens von Rondras Zorn - weswegen der Magus bei dem gesamten Gespräch anwesend sein musste."
"Ich erinnere mich gut - wir sprachen sogar über die Krankheit ..."
"Der dritte", fährt die Medica fort, "nur wenige Tage vor der Abreise des Burggrafen zu dem Konvent in Bredenhag. Die Reise abzusagen war unmöglich, also musste Tarlion mitfahren - und siehe da, schon auf halber Strecke nach Albernia war Euer Vetter schon wieder beinahe genesen."
"Ich gebe zu, dass das überzeugend klingt. Aber wie hätte denn der Magus den Zeitpunkt eines jeden Rückfalls so genau festlegen können?"
"Ganz einfach", erwidert die Medica. "Es war keine Krankheit. Es war Gift."
Die Falte auf der Stirn des Oberst wurde noch tiefer. "Ich habe diesem Sprücheklopfer nie getraut", knurrte er. "Könnt Ihr seine Taten beweisen?"
Gut Weyring, Roßkuppel, vor einigen Tagen ...
"Nie und nimmer hätte ich ihm so etwas zugetraut." Friedwart Wiesenbach, der
Privatsekretär des Burggrafen schüttelte verwirrt den Kopf. "Jetzt, wo ich
darüber nachdenke - ich habe ihn des öfteren in der Schreibstube gesehen,
obwohl er da doch eigentlich nichts zu suchen hatte. Und manchmal hatte ich
das Gefühl, dass meine Unterlagen nicht in der Reihenfolge waren, in der ich
sie sortiert hatte."
"Nun, das ist vorbei, daran können wir nichts mehr ändern", entgegnete Rhodena von Ruchin-Weyringhaus, Oldebors Schwiegertochter. "Aber wir können dafür sorgen, dass es ein Ende hat. Arvo wollte Beweise - die soll er haben. Was meint Ihr, könnte ein Spion einem Brief widerstehen, den der Burggraf an die Fürstin in Rommilys richtet?"
"Ich denke nicht ... Was soll ich denn schreiben?"
Rhodena kicherte. "Das ist mir gleich. Hauptsache, Ihr bestreicht das Pergament danach mit ...", sie nestelte eine kleine Phiole mit einer glasklaren Flüssigkeit hervor, "dem hier."
Villa Geldana, zwei Nächte später
Tarlion legte das Schreiben wieder zurück. Reine Höflichkeitsfloskeln -
nichts, was seine Auftraggeber interessieren würde. Erst auf dem Weg zurück
in seine Gemächer bemerkte er, dass seine Fingerkuppen mit einem silbergrau
schimmernden Film überzogen waren, der sich nicht entfernen ließ. Eine Falle...
Ein guter Beobachter könnte in der Nacht ungewöhnliche Betriebsamkeit in den Räumlichkeiten des Magus beobachten; wie er mittels vielerlei Tinkturen versucht, seine Finger zu reinigen und dabei vor sich hin murmelt:
"Horas heil ... was soll das .. phexverflucht, das Zeug will nicht weichen, Höllenbrut ... Irgendwann muste das ja passieren... verdammten Garetier ... warum konnte das nicht nach dem nächsten Convent geschehen ... möchte nur gerne wissen wer ... lassen wir es darauf ankommen ... ich werde warten, bis sie mich holen kommen, Dienstvorschrift hin, Dienstvorschrift her ... ein Feuer, das unglücklicherweise in meinen Gemächern ausbrach und mich im Schlaf überraschte ... der Tranversalis dürfte mich sicher weit genug weg bringen, wenn der Collega nicht mit dem Amulett gepfuscht hat ... schade um die ganze Arbeit hier ... wer hat denn bloß ..."
Er schaut auf, horcht. 'Nutzt nichts, ich muss weg.'
Die kräftigen Hände beginnen, systematisch die auf dem Schreibtisch verteilten Papiere zu zerknüllen. Rasch und sorgfältig beginnt der Hofmagus, selbige, das Bettzeug, Kleidung entlang des Fensters und der Tür zu lockeren Haufen bereitzulegen. Mit einem leisen Klirren folgen die Kolben und Gläser der alchimistischen Apparatur, die kleinen Döschen und Flacons, trockene Kräuter.
Zufrieden schaut er sich um, dann nimmt er den Krug mit Öl und beginnt, das rötlich schimmernde Lampenöl zu verteilen ...
'Nun, denn. Mag es beginnen'
Und hier folgt die offizielle Version der Ereignisse ...
Tragischer Unglücksfall in der Villa Geldana
Leibmagus des Burggrafen ringt mit dem Tode
Neu-Gareth: Bei einem Brand in seiner Studierstube ist Tarlion von Donnerbach, Hofmagus Seiner Edelhochgeboren Oldebor von Weyringhaus, überaus schwer verletzt worden. Das Feuer brach mitten in der Nacht aus und überraschte den jungen Heilmagier im Schlaf. Der Aufmerksamkeit einiger Diener ist es zu verdanken, dass der Brand rasch gelöscht werden konnte, bevor er in der Neu-Garether Residenz des Burggrafen weiteren Schaden anrichtete. Tarlions Gemächer wurden jedoch vollständig ein Raub der Flammen. Zwar konnte der Magus noch lebend aus seinem Zimmer geborgen werden, doch - die Götter mögen ihm beistehen! - trug er schwerste Verletzungen davon. Die Leibmedica des Burggrafen, Thesia Winsheymer, sorgt persönlich für ihn, doch scheint er dem Tode näher als dem Leben. In Fieberträumen redet er wirres Zeug, und die Wunden durch das Feuer werden kaum zu heilen sein.
Alles weitere demnächst im Herold ...
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