Geschichten:Von der Zucht und Haltung von Rindviechern - Mardrabrycker Oxenhirn
Efferd 1047 BF, Burg Ox, Baronie Viehwiesen
In den schattigen Winkeln der Burg Ox, hoch über dem Abgrund, schlichen die beiden Jugendlichen, Ruben und Kathaya, über das glitschige Dach. Der Mond warf silberne Streifen auf die Ziegelschindeln, der Wind pfiff, während die Berge des Nachts bedrohlich wirkten.
Kathaya, mit dem Gleichgewichtssinn einer Katze gesegnet, bewegte sich mühelos vorwärts. Ihre Füße fanden Halt auf den schmalen Vorsprüngen, als wäre sie ein Teil des alten Gemäuers. Ruben hingegen kämpfte mit jedem Schritt, seine Finger klammerten sich an die Dachkante, während er versuchte, nicht abzurutschen. Er konnte sich aber auf seine Großcousine verlassen, sie achtete immer auf den wenige Götterläufe jüngeren Viehwiesener Spross.
Oben angekommen legten sich die beiden, wie schon viele Male zuvor, wenn sie auf Burg Ox waren, auf das Dach. Über ihnen die Weite des Himmels mit seinen strahlenden Sternen, unter ihnen der große Rittersaal. Die Erwachsenen versammelten sich dort und sie speisten Mardrabrycker Oxenhirn. Ruben und Kathaya ekelten sich schon allein bei dem Gedanken an die Leibspeise im Hause Ochs. Die Stimmen der älteren Ochsne erhoben sich im Streit. Es war ein Familientreffen, und wie so oft war die Frage nach dem nächsten Oberhaupt des Hauses ein Zankapfel.
Wolfaran und Iralda waren die Treiber der Diskussion. Sie hörten die Worte. "Er ist zu jung. Er ist zu unerfahren. Ihm fehlt die Weitsicht. Die anderen Häuser werden ihn nicht respektieren. Andere im Haus sind besser geeignet." und wie immer lautete die Antwort von Leobrecht von Ochs. "Es ist die Tradition - das Oberhaupt des Hauses Ochs ist der Baron von Viehwiesen - außer er ist Magier." Sein Neffe Anaxios, der derzeitige Baron auf Ox sprang seinem Onkel verbal bei.
Ruben und Kathaya lauschten den Worten der Erwachsenen, während der Wind ihre Haare zerzauste. "Bin ich wirklich so ein großes Übel?" der blondgelockte Bursche blickte traurig zu seiner Anverwandten. "Ach, es sind Ochsen, sie laufen dem roten Tuch nach. Wie ein Stierkampf. Aber zum Ende laufen doch wieder alle vereint in einer Herde auf die grünen saftigen Wiesen. Wenn wir Hunde heißen würden, wäre das Sprichwort wohl sie bellen aber beißen nicht. Kopf hoch!" Die perricumer Knappin zwinkerte ihm mit einem Lächeln zu, als sich beide erschraken.... Unter ihnen wurde es lauter. War da wohl wieder jemand aufgesprungen und ein Stuhl war umgekippt.
Es war schwer die Worte zu verstehen, sie keiften sich alle gegenseitig an. Mit Mühe konnten sie Leonora, die ältere Schwester Kathayas verstehen. "Ruben, Wolfaran... immer geht es um sie. Wie sie sich fühlen... Und wer bin ich - wie fühle ich mich? Niemanden interessiert es hier. Ihr habt mich vermählt, als ich noch ein Kind war, in einen Gatten den ich verabscheute. Boron sei dank, wurde ich erlöst. Ich habe mir meinen Posten als Kanzleirätin erkämpft. Ruben ein Jüngling soll das Haus leiten. Und Wolfaran obwohl mit Bärenau abgesichert, blast ihr meine ach so lieben Eltern, ihm noch Wasserburg in den Hintern. Denkt auch mal jemand an mich? Oder bin ich weiter der nichtsnutzige Bastard?"
Sie versuchten die weiteren Gesprächsfetzen zu verstehen, aber Leobrecht und Korhilda - die Eltern Kathayas - redeten so durcheinander, dass kaum ein Wort zu verstehen war. Dazu keiften sich die Geschwister Wolfaran und Leonora an. Das nächste, was sie hören konnten, kam wieder aus dem Mund der Kanzleirätin. "Die Kinder und ich reisen in die Nordmarken zurück. Ich pfeif auf euch! Den weiten Weg werde ich mir demnächst sparen." Anschließend knallte eine große schwere Tür.
Stille überzog den Rittersaal, als Leobrecht von Ochs das Wort ergriff. "Lasst und essen, das Rind wird kalt." Resignation machte sich in den Worten des Reichsvogtes breit, während sie ein leises Schluchzen von Kathayas Mutter im Hintergrund hörten. Die Wasserburger Baroness blickte währenddessen zu Ruben. "Wenn Du Oberhaupt bist, darf ich jetzt schon mal eine Bitte äußern?" Ruben schaute verdutzt, während seine Großcousine weiter plapperte. "Also... dieses Mardrabrycker Ochsenhirn ist widerlich. Ich ersuche dieses Gericht am Tische von Burg Ox abzuschaffen." Ruben grinste über das ganze Gesicht. "Ich Ruben von Ochs, Erbe der Baronie Viehwiesen, baldiges Oberhaupt des Hauses Ochs, erkläre hiermit feierlich es sei abgeschafft - an dem Tag, wenn ich das Sagen habe. Nieder mit dem Oxenhirn!"
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