Geschichten:Von der Zucht und Haltung von Rindviechern - Tribünengespräche

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Schloss Rossgarten

Auf der Holztribüne des Ritterturniers im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten in Wasserburg saßen Reichsvogt Leobrecht von Ochs und Alderan von Bärenau, der Landvogt der Baronie Bärenau nebeneinander. Die Sonne schien durch das Blätterdach der umliegenden Bäume, und das Knarren der Holzbänke mischte sich mit dem aufgeregten Gemurmel der Zuschauer.

Leobrecht, dessen Augen die List eines erfahrenen Strategen verrieten, reichte Alderan einen Brief, den er mit einem verschmitzten Lächeln überreichte, als wäre es ein Spiel, dessen Ausgang nur er kannte. “Das ‘e’ hat einen anderen Bogen”, bemerkte er leise, fast beiläufig, doch mit einer Schärfe, die Alderan aufhorchen ließ. Über die letzten Götterläufe war der Reichsvogt dem Brief gefolgt, der sein Schriftbild und seine Unterschrift erhielt. Aber er hatte ihn nicht geschrieben. Der Brief führte seinen Sohn, seine Schwiegertochter und seinen Neffen auf die Efferdstränen.

Der Landvogt starrte auf den Brief, völlig überrascht und zugleich fasziniert. Wie konnte der Reichsvogt wissen, dass die Fälschung von seiner Hand stammte? “Ich musste es tun”, gestand Alderan mit einem Seufzer, der die Schwere seiner Entscheidung verriet. “Iralda wäre Felan zur Hilfe geeilt und hätte Bärenau unweigerlich in die Fehde gezogen. Wir wollten neutral bleiben, also musste ich Iralda weglocken.”

Leobrecht klopfte ihm auf die Schulter, ein Zeichen der Anerkennung für den jungen Bärenauer Edlen. “Ein kluger Schachzug, dennoch wäre mir ein Einverständnis lieber gewesen." Mit scharfen Worten warf der Reichsvogt jedoch hinterher. "Tue das nie wieder.” Bevor sie ihre Unterhaltung vertiefen konnten, unterbrach ein lautes Scheppern und ein kollektives Staunen von der Tribüne ihre Unterredung. Das Finale des Ritterturniers hatte begonnen, und alle Augen waren auf das Feld gerichtet.

Alwena von Hartwalden-Hartsteen traf mit ihrer Lanze die Rüstung von Korhilda von Sturmfels mit voller Wucht. Die favorisierte Baronin von Wasserburg wurde im hohen Bogen aus dem Sattel geworfen, und das Publikum hielt den Atem an, als sie sich nur mühsam aufzurichten vermochte. Ihre Schulter schien schwer verletzt zu sein, und besorgte Murmeln durchzogen die Reihen der Zuschauer. Während Alwena sich umjubelt feiern ließ, wurde Korhilda im Hintergrund von einem Mann mit einem Holzköfferchen behandelt, der geschickt Heiltränke hervorholte und sie der Baronin reichte, die diese missmutig zu sich nahm.

Leobrecht verließ Alderan eilig, getrieben von der Sorge um seine verletzte Gemahlin. Der Bärenauer blieb mit dem Brief zurück, den sein Freund für ihn geschrieben hatte, in Gedanken versunken. Als er den Umschlag öffnete, fand er nebden dem Brief einen Zettel mit den Worten: “Ich habe geraten.” Ein Lächeln breitete sich auf Alderans Gesicht aus, ein Lächeln, das die Erleichterung und die Anerkennung für den alten Reichsvogt widerspiegelte. Der alte Reichsvogt hatte den Phexgeweihten ausgespielt – ein seltenes Ereignis, das Alderan mit einer Mischung aus Respekt und Bewunderung zur Kenntnis nahm. "Verdammt, und ich hatte Drego noch vor dem Stiernackigen gewarnt."