Geschichten:Zwei Reiche, ein Vertrag – Der Rabe von Punin hat gesprochen
Mantrash'Mor, 4. Travia 1041 BF:
Nunmehr war die mittelreichische Delegation unter Führung von Reichserzkanzler Alarich von Gareth-Sighelmsmark auch sehr viel besser aufgestellt. Es wurden Verhandlungsgruppen gebildet, die dann mit dem Äquivalenten des Horasreiches die einzelnen Themen verhandelten. Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor, Zordan von Rabicum, Malepartus von Helburg, sowie die Almadanerin Madalena Falcomar di Rastino von Nordhain, bildeten die Delegation zum Boron-Passus, der den Umgang mit dem Al'Anfaner Ritus regeln sollte. Nun war es mitnichten ein Zufall, dass sich ausgerechnet diese vier hohen Herrschaften zu diesem Thema zusammenfanden, denn mit allen drei hatte Reto im Vorfeld der Verhandlungen eine ausgiebige Korrespondenz geführt.
Die Gerbaldsmärker Hausritter Deromir und Tawil hatten unterdessen scheinbar Erfolg in Punin gehabt. Ein Brief, gesiegelt vom Schweigenden Kreis, erreichte Ramin und Reto zeigte sich über die wenigen Zeilen mehr als zufrieden.
der Schweigende Kreis und auch der Rabe von Punin wünschen sich, dass niemand verfolgt werde, weil er Boron anbetet. Selbstverständlich soll niemand nach dem Al'Anfaner Ritus predigen oder Tempel bauen dürfen.
Gez. Aedin zu Naris
Das war die Nachricht, auf die Reto gewartet hatte, denn es hatte ihm und seinen Mitstreitern innerhalb ihrer eigenen Delegation schon viel an Überredungskunst gekostet, dieses Thema überhaupt mit den Horasiern zu diskutieren. Nun war mehr gefragt als nur Worte.
So trafen sich die vier hohen Delegierten der mittelreichischen Delegation mit ihrem horasischen Opponenten, dem Comto Tilfur Sal della Trezzi. Dieser machte sehr schnell klar, dass die Horasier mehr als kritisch gegenüber dem Vorschlag waren, das Bekenntnis zum Al'Anfaner Boron-Ritus zu erlauben. Das hatte Reto erwartet und zog das Schreiben mit den borongefällig wenigen Worten der Puniner Boron-Kirche hervor. Diese verfehlten ihre Wirkung nicht und ließen den horasischen Diplomaten innehalten, es schien, als würde er seine Position überdenken. Er bat darum, Rücksprache mit den anderen horasischen Delegierten halten zu dürfen.
Während der Rondraandacht zum Tag der Helden, der Reto selbstverständlich beiwohnte, trat Conto della Trezzi an ihn heran und signalisierte ihm, das es eine Einigung gab. Es war also vollbracht. Ja, die Götterdienste waren ein Ort des unverbindlichen Austausches, auch außerhalb der offiziellen Delegationstreffen, was auch der Grund war, warum Reto sie überhaupt erst besuchte.
Die Verkündung der Verhandlungsergebnisse der zweiten Sitzungswoche war für Reto ein großer Erfolg. Nicht nur wurde der Boron-Passus angenommen und somit das Bekenntnis zum Al'Anfaner Ritus erlaubt (Predigten und Tempelbau waren weiterhin verboten), sondern auch ein weiterer Punkt auf der Agenda seines Auftraggebers sollte zu seinem Wohlgefallen entschieden werden.
Der ursprüngliche Vertragstext des Passus Firunis sah vor, das konfiszierte Theriak der Firun- und Ifirn-Kirche zu übergeben, um so die Wunden in Sumus Leib im hohen Norden zu heilen. Die Neufassung des Paragraphen – der dann auch angenommen wurde - sah nun vor, ebenfalls die verderbten Lande innerhalb beider Reiche zu bedenken. Außerdem sollten sich die beiden genannten Kirchen eng mit der Hesinde-Kirche abstimmen. Auch wenn Reto an diesem sehr erfreulichen Ausgang keinen Anteil hatte – den hatte vielmehr Zordan von Rabicum - so konnte er dies jedoch gegenüber seinem Auftraggeber so verkaufen.
Die weiteren Ergebnisse waren für Garetien eher zu vernachlässigen: Die Taifados auf beiden Seiten der Grenzen sollten zukünftig für Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen werden. Überraschenderweise konnten sich die Händler – und mutmaßlich die Phex-Kirche - nicht mit der Forderung nach Zollbeschränkungen und festen Gebühren für den Geldwechsel durchsetzten. Ein Zeichen, dass der Adel die Krämerseelen immer noch in ihre Schranken weisen konnte.
Sehr wohlwollend zur Kenntnis nahm Reto die vorgenommenen Ergänzungen des Travia-Passus. Die noch im Rahja-Passus abgelehnte fürstliche Ehe sollte nun doch gestiftet werden. Möge das Reich also nach geeigneten Vermählungswilligen fürstlichen Blutes Ausschau halten. Auch sollten aus beiden Reichen jeweils 12 fürstliche Pagen an die jeweiligen Höfe verbracht werden.
Nun richteten alle ihre Aufmerksamkeit auf die verbliebenen strittigen Punkte. Die bevorstehende dritte und letzte Verhandlungswoche sollte es noch in sich haben.
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