Geschichten:Zwei Reiche, ein Vertrag - Die Seeschlange
Zwischen Mantrash'Mor und Oberfels, 12. Travia 1041 BF
Harte Verhandlungstage lagen hinter ihnen, es war um viel gegangen und allzu viele hatten daran mitbestimmen wollen - nicht nur ehrenwerte.
Er selbst hatte es genossen, hier war es schwieriger gewesen als daheim, dort kannte er seine Verhandlungspartner, die Tücken, die Umstände - hier waren es echte Herausforderungen gewesen.
Dabei hatte er die Interessen vieler zu beachten - die des Markgrafen in politischer Zwigestalt als Markgraf, aber auch als Kaiserinnengemahl und gleichzeitig Getreuen der Kaiserin. Ebenso die Vorstellungen seiner stolzen großgaretischen Cumpanen und nicht zuletzt natürlich seine eigenen Interessen.
Der Markgraf hatte zuvor keinen Zweifel daran gelassen welche die seinen waren und dass er Zordan als einen seiner ersten Mannen vor Ort in Mantrash'Mor sah, aber nicht einizigen wie er sehr wohl herausgefunden hatte.
Doch Zordan wäre nicht solange am Hofe des Markgrafen wenn er die eigenen Interessen und die des Markgrafen nicht gut zu verweben vermocht hätte. Oder Dinge mitzudenken, die der Markgraf, der ja nur selten in Perricum weilte, ihm zu denken überließ.
So war ihm, aus verschiedensten Gründen der Hesinde-Zusatz des Machwerkes ein besonderes Anliegen gewesen, da er gewusst hatte, dass vor allem der traditionalistische Adel des Mittelreiches das Silem-Horas-Edikt noch einmal betonen würde. Sich der Auswirkungen nicht bewusst, den Wortlaut dieses uralten Reliktes wortgetreu zu übernehmen. Öl in das Feuer von ultratraditionalistischen Kräften für Hetzjagden auf alles was auch nur eine aberkleine Variante des Edikts wäre. Eine Katastrophe für Perricum, wo die Nebachoten ihre ganz eigene Auslegung des 12er Pantheons hatten. Auch wenn er diese wirr fand, politisch wäre die Bekräftigung des reinen Edikts in seiner Heimat untragbar gewesen. Aber auch anderswo, Albernia und die Feenverehrung, Gigantenverehrung in Darpatien, der beinahe religiöse Kult der sich gerade um Korgond in ganz Großgaretien formte, die Elfen und Zwerge usw. usf. >br> Auch wenn all dies teilweise über andere Regelwerke legitimiert war, hätten Hartgesottene eine erneute, wortgetreue Bekräftigung des Edikts - ohne Zusatz - als höhere und vorallem aktuellere Instanz angesehen. Man hätte sich nur neue Konfliktherde geschaffen, jetzt wo der Feind im Osten nahezu besiegt war, dessen Opfer man sonst ja auch als Frevler hätte verbrennen müssen statt sie behutsam zurück in die Arme des wahren Glaubens zu führen.
Doch der Passus Hesindiae weichte diese alten Worte auf und erkannte quasi den Status quo und die Fakten an. Es lebten eben Elfen, Zwerge, Nebachoten, Feenanbeter und dergleichen im Reiche, ja sogar solche die die Auslegung des alanfanischen Ritus lebten, wie die Kaiserwitwe Alara Paligan und auch sein Herr und Kaiserinnengemahl Rondrigan Paligan liebäugelte immernoch mit diesem familiären Relikt. Von den Rashtullah-Gläubigen in Almada gar nicht zu reden.
Deshalb war dieser Passus so wichtig gewesen, zum Schutz vor der eigenen Dummheit und politischen Einfältigkeit des traditionalistischen Adels.
Dies hatten auch seine mittelreichischen Mitstreiter - u.a. der Reichskanzler, Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor, Malepartus von Helburg, Madalena Falcomar di Rastino, die perricumsche Almosenmeisterin Rhuna vom Bogen, aber vorallem auch viele der Horasier vestanden.
Mit ihnen, mit dem Verhandlungsgeschick seiner dortigen mittelreichischen Entourage und vorallem dem eigenen war es ihnen Gelungen ein Netz aus Verbündeten und Gefälligen zu spinnen um den Hesinde-Passus, aber vorallem auch noch weitere seiner Agendenpunkte und der seiner Cumpanen durchzudrücken, so dass sie in ihnen gefälligen Formen in den Vertrag letztlich Aufnahme fanden. Gegner hatte man dabei teils absichtlich abgelenkt, verwirrt oder ihnen Falschinformationen vorgesetzt.
Als da wären - die Unterbindung eines Sonderstatus der Westflotte unter dem Vasallen zweier Kronen - dies wäre ein äußerst schlechtes Signal für Perricum gewesen - die Akzeptanz des alanfaner Ritus, was besonders die Familie seines Herren gern sehen würde und je nach Lesart, der Passus zur Belangung von Taifados, sowie die Idee einer Gesandtschaft bei Zwisten zwischen den Reichen. Ersterer war auf den ersten Blick nicht nach dem Geschmack des Kaiserinnengemahls, doch bei genauem Lesen, war die Formulierung Auslegungssache, so dass man ihn nur für zukünftige Verbrechen an der Grenze auslegen könnte, nicht aber für die vergangenen. Ein guter Teilerfolg, damit konnte man arbeiten, zumal ihm während der ganzen Verhandlungen auch nicht in den Kopf kommen wollte warum auch nur eines der beiden Reiche "ihre" Verbrecher vom jeweils anderen abrichten lassen wollen sollte, aber hier hatten vielleicht auch andere die Finger im Spiel gehabt. Dennoch, beide Reiche konnten sich so auf der Formulierung ausruhen, Politik eben. Und auch die Nichtaufnahme der Gesandten-Delegationssache wurde mehr als kompensiert - verbessert - in dem man die Reiche durch Knappschaften in einem anderen Passus näher aneinander band. Viel besser - dachte sich Zordan, eine Delegation selber hätten die Horasier dei Horasier dazu veranlasst das garetische Nandus-Verbot anzufächten - nicht hinnehmbar - und wäre nur ein weiterer, irritierender Machtfaktor gewesen und würde sich zwischen etliche andere Gremien einreihen, die sich ohnehin schon auf dem Fuße standen. Eine Verbrüderung durch Heiraten und ehrenvolle Knappschaften war ein viel besserer Unterpfand und die Bündnisse daraus ein viel größerer Garant für die Beilegung von Zwisten als ein losgelöstes Gremium von Machtmenschen. Er musst es wissen, er war ein solcher.
Und als solcher saß er nun stolz auf seinem Pferd, sein Gefolge und einige seiner Mitstreiter hinter oder neben sich wissend - auf dem Weg nach Oberfels, denn dort würden die errungenen Bande verstärkt und neue geknüpft werden.