Geschichten:Abendliche Gespräche

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Bärfried hatte mit Elissa draußen auf dem Dach des Wehrturms Platz genommen. Ein Knecht hatte zwei Stühle und einen Tisch hergerichtet und eine tönerne Karaffe mit Wein sowie zwei Tonbecher hergestellt.
Die Praiosscheibe stand schon tief und tauchte den Horizont in geheimnisvolles rot-orange. Es wehte ein angenehm kühlendes Lüftchen und in der Ferne hörte man die späten Vögel.
Bärfried hatte gerade der Baronin und sich Wein eingeschenkt und ihr einen der Becher gereicht als er zu sprechen begann, “nun erzählt. Wie ist es Euch seit dem Turnier ergangen? Ich stelle mir das Leben als Baronin zumindest sehr arbeitsintensiv vor?”
Unter ihnen wurden im Wehrturm die ersten Lichter entzündet und auch bei den Stallungen der Pferde entzündete der Knecht einige Laternen um den Rest seines Tagwerks zu vollenden. Außer den späten Vögeln und dem Wind hörte man in dieser Abgeschiedenheit nichts mehr.

“Danke der Nachfrage, Herr Bärfried. Aber die Tage nach der Turnei sind, so fürchte ich, wenig berichtenswert. Ich hielt mich danach noch zwei Tage in der Reichsstadt auf um zunächst einige alte Freunde und Kameraden aus dem Bombardenregiment zu besuchen, dem ich zumindest nominell noch als Hauptfrau angehöre. Der zweite Tag gehörte dann ganz meinem Gemahl, den ich ob seiner Tätigkeit in der markgräflichen Administration sonst viel zu selten zu sehen bekomme. Danach ging es zurück nach Vellberg, um mich dort meinen Verpflichtungen als Baronin zu widmen.”
Elissa schwieg für einen Moment und betrachtete mit einem fast schon melancholischen Blick die umgebende Landschaft.
“Das bringt mich dann gleich zu Eurer zweiten Frage. Es mag Euch vielleicht überraschen, doch zumindest in meinem Falle ist das, hm, Leben als Baronin nicht besonders arbeitsreich, geschweige denn spektakulär. Die Trollzacker verhalten sich schon seit Jahren zumindest in Vellberg relativ ruhig, Trolle bekommt man auch kaum zu Gesicht und seitdem die Kaiserin große Teile Tobriens befreit hat, ist auch die Gefahr aus dem Osten weitgehend gebannt. Und wenn man den jüngsten Schätzungen und Zählungen glauben darf, hat mein Lehen nur etwas mehr als tausend menschliche Bewohner, die ihre Streitigkeiten auch zumeist unter sich regeln anstatt sie mir vorzutragen. Ich fürchte”, ergänzte sie mit einem Schmunzeln, “ein Junker in der Goldenen Au oder anderen dichtbesiedelten Landstrichen ist deutlich mehr mit der Verwaltung seines Lehens beschäftigt und wohl auch für weitaus mehr anvertraute Seelen verantwortlich als ich.”
Etwas ernster fuhr Elissa fort: “Sofern nichts Besonderes anliegt, bereise ich zumindest alle halbe Jahre Markt Vellberg und die Residenzen meiner Vasallenlehen, um dort nach dem Rechten zu schauen. Einmal im Jahr werden die an dem Markgrafen und die Kirchen abzuführenden Zehnte zentral in Markt Vellberg gesammelt, dokumentiert und an die markgräfliche Administration weitergeleitet. All das überwache ich ebenfalls persönlich. Ich habe zwar einen ebenso fähigen wie tüchtigen Verwalter, aber ‘Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!’ wie schon mein Vater zu sagen pflegte. Die Korrespondenz mit dem Hof seiner Erlaucht sowie anderen Adligen gestaltet sich auch recht überschaubar. Und die Ausrichtung großer Festivitäten wie Turniere oder Bälle kann ich mir ebensowenig leisten wie teure Kleidung, Pferde, kostbares Mobiliar oder andere Statussymbole, die weiter im Süden für das Wohlbefinden einiger Adliger offenbar unverzichtbar sind. Ganz abgesehen davon, dass ich mit derlei Tand nichts anzufangen vermag, was wohl meiner Herkunft und dem Beispiel meines Vaters geschuldet sein dürfte.
So, jetzt kennt ihr die ganze grausame Wahrheit über das Lotterleben einer trollzacker Baronin!”, ergänzte sie mit breitem Grinsen. “Das hätte ich wohl so vielleicht nicht sagen sollen, weil Ihr dadurch womöglich einen falschen Eindruck von mir bekommen könntet, aber warum sollte ich Euch etwas vormachen? Und wenn ich mir so anschaue, wieviele Adlige aus der Provinz sich sonstwo herumtrei-, äh, aufhalten, solange es nur nicht ihr eigenes Lehen ist …” Elissa ließ diesen Satz wohlweislich unvollendet.
“Aber nun erst mal genug von mir! Was habt Ihr seit unserer letzten Begegnung so erlebt und wie sieht Euer Tagwerk im einzelnen aus? Ich hoffe, weitaus interessanter und abwechslungsreicher als bei mir?” Die Vellbergerin blickte ihren Gastgeber neugierig an, bevor sie einen tiefen Zug aus ihrem Becher nahm.

Der einäugige Ritter nahm ebenfalls noch mal einen Schluck aus seinem Becher und goss dann sowohl seinem Gast als auch sich selbst nach.
"Nun, Auch bei mir gibt es nach dem Turnier wenig zu berichten. Ich verweilte noch zwei Tage mit meiner Frau in Wasserburg, zu selten sind die gemeinsamen Tage geworden." Bärfried seufzte etwas aus, fasste sich aber schnell.
"Dann besuchten wir noch für drei Tage unseren Sohn, der zurzeit seine Pagenausbildung am Hofe der Baronin von Gluckenhang erhält und danach sind wir wieder zurück hierher gekommen."
Der Einäugige blickte sich zufrieden um und lies kurz den Blick schweifen.
"Ja, ansonsten unterstütze ich meinen Vater bei der Verwaltung und Aufrechterhaltung der Ordnung in seinem Lehen." Bärfried musste laut auflachen als er an seinen Vater dachte. "Wisst ihr, er kann solcherlei Zeug auch nicht ausstehen. Die Verdienstmedaille trug er wohl nur weil er von Eurem Vater wusste. Er stand auf vielen Schlachtfelder und hätte wohl nicht selten Die Möglichkeit gehabt Ehrungen und dergleichen zu sammeln. Aber er ist der Meinung dass das was er tut immer nur seine normale Pflicht als Vasall ist und dafür braucht er keine besondere Ehrungen."
Der Ritter nahm einen großen Schluck aus dem Becher, er genoss es sichtlich hier oben auf dem Turm zu sitzen, Wein zu trinken und zu reden.
"Aber vor dem Turnier, da gibt es was zu berichten. Ich sollte tatsächlich den Drittgeborenen des Barons zu ihm nach Perlenblick bringen. Das war ein Abenteuer sag ich Euch! Der Tunichtgut ist zwischenzeitlich abgehauen und wollte sich Vergnügen. Dummerweise ist er einer Schmugglerbande direkt in die Arme gelaufen." Bärfried schüttelte verständnislos den Kopf, "glücklicherweise habe ich auf meiner Suche aber den nebachotischen Junker Can von Rabenstock und die Kommandantin der Sonderflottille Flußwacht kennengelernt. Mit vereinten Kräften konnten wir den Baronet befreien und ein Großteil der Bande festnehmen. Nur den Anführer, den haben wir leider nicht erwischt." Bärfried wirkte kurz etwas wehmütig als er vom entkommenen Bandenführer sprach, fasste sich dann aber nachdem er noch einen Schluck Wein zu sich genommen hatte.
"Ansonsten gibt es nicht viel zu erzählen. Wenn es für Zeit zulässt übe ich mich um Schwertkampf und dem Reiten, sowie im Lanzenstechen. Beim Turnier in Haselhain flog ich damals ja schon in der Vorrunde raus. Sonst reise ich mit meinem Waffenknecht Gero durch die Herrschaft. Das überleben im Freien hier draußen härtet nicht nur den Körper sondern auch den Geist! Etwas was ich So manches Mal bei den Bewohnern im Süden vermisse…" Bärfried schlug mit der rechten Faust in seine Hand.
"Aber dann scheinen wir uns zumindest unter dem Aspekt der Arbeit nicht sonderlich zu unterscheiden. Muss wohl auch an dem Land liegen, Das sich größtenteils selbst verwaltet bekommt." Bärfried schmunzelte bei dem Gedanken.

“Oh, da habt Ihr zwischenzeitlich ja einiges erlebt, wie mir scheint”, antworte Elissa. “Ich hoffe, dieses Baronssöhnchen hat seine Lektion gelernt und handelt fürderhin verantwortungsvoller. Dessen Lust an derlei Vergnügungen sollte jedenfalls nun deutlich gedämpft sein, hoffe ich. Ach ja, das Knüpfen neuer Kontakte ist immer angeraten; wer weiß, vielleicht gereicht Euch die Bekanntschaft mit dem Junker und der Kommandantin irgendwann einmal noch zum Vorteil? Und dass Euch dreien der Anführer der Schmuggler entkommen konnte, sollte Euch nicht zu sehr grämen. Wie ich ebenfalls schon lernen durfte, schenken die Götter einem nur selten einen wirklich vollumfänglichen Sieg; oftmals sollten wir uns daher auch mit Teilerfolgen begnügen und uns an ihnen erfreuen können, so sehr uns dies hie und da bitter schmecken mag.
Übrigens bin ich mir durchaus des Zeichens der Wertschätzung bewusst, indem Euer Herr Vater eigens für meine Ankunft seinen Orden angelegt hatte. Doch teile ich seine Ansicht, dass man derlei Metallstücke nicht überbewerten sollte. Wie sagte dereinst ein kluger Mann: ‘An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an dem Metall auf ihrer Brust!’ Wer sich und sein Tun nur über Letzteres definiert, ist in meinen Augen ein ziemlich armer Wicht.” Die Baronin konnte sich bei dem Zitat ein Grinsen nicht verkneifen, bevor sie nach einer kurzen Pause fortfuhr.
“Doch in einem anderen Punkt muss ich Euch widersprechen, werter Bärfried. Das Land hier verwaltet weniger sich selbst - auch wenn durchaus einiges dafür spricht - sondern es verwaltet eher uns. Jeder, der in oder an den Zacken lebt, hat sich deren Launen und Wünschen zu beugen. Sie dulden keine Hoffärtigkeiten und verlangen von seinen Bewohnern Demut. Und seine Schätze - Erze und Gestein - gibt das Land nicht freiwillig her. Wer sie haben will, der muss sie sich durch harte Arbeit und allerlei Fährnisse verdienen. Hm, wenn ich mich selbst so höre, klingen meine Worte ja fast schon philosophisch ...
Aber zu etwas, ähm, handfesterem: Vielleicht erweist Ihr mir morgen die Ehre, ein oder zwei Übungskämpfe mit mir zu bestreiten? Leider habe ich in Vellberg nur wenig Gelegenheit und geeignete Streiter, um mich weiter im Umgang mit dem Schwert zu üben.”
Elissa nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Becher und unterdrückte mit Mühe ein Gähnen.

Bärfried lächelte freundlich und amüsiert während er der Baronin zu nickte.
"Nun was das Verwalten und verwaltet werden anbelangt, so muss ich gestehen habe ich die Sache nie betrachtet. Aber wenn ich euren Worten Folge bleibt mir nichts übrig als zuzustimmen."
Bärfried nahm einen letzten Zug aus seinem Becher, den er damit geleert hatte und stellte ihn vor sich ab.
"Den Übungskampf sollt ihr bekommen. Wir haben Übungswaffen oder bevorzugt ihr euer eigenes Schwert?"
Bärfried ließ der Baronin keine Zeit zu antworten und setzte nach, "das könnt ihr ja auch noch Morgen entscheiden. So wie ich das sehe sollten wir jetzt lieber in unsere Gemächer gehen, sonst verschlafen wir den morgigen Tag."