Heroldartikel:Das große Kabinett von Grambusch
Das große Kabinett von Grambusch
Der Adel Garetiens, Greifenfurts und Perricums versammelt sich auf Aufruf der Grafen in der Gerbaldsmark, um der Königin neben weiteren Themen seinen Beschluss für die Ernennung des gemeinsamen Marschalls der drei Provinzen und seines Stellvertreters zu überreichen
War es ein törichter Fehler des Staatsrates Horbald von Schroeckh oder eine bewusste Provokation, als er neben den garetischen Grafschaften auch die vom Königreich Garetien unabhängigen Markgrafschaften aufforderte, mit der Vorbereitung zur Aushebung der Landwehrregimenter für die sich abzeichnende Auseinan-dersetzung mit dem Erzverräter Helme Haffax zu beginnen? Greifenfurt und Perricum sollten ihre Truppen »mit dem Banner Garetiens vereinen, wie einst unter dem Heerbann Unseres Ahnen, des tüchtigen Königs Bodar III. im Jahr 863 BF, auf dass nicht drei Köpfe, sondern ein einziges kluges Haupt das Heer des goldenen Herzens des Reiches anführe«, lautete die Aufforderung aus der Staatskanzley in Gareth, die deutlichen Protest an Breite und Dergel provozierte. Doch anstatt die Hochadlige Kammer des Reichsgericht anzurufen, welche im Namen der Krone die Konflikte zwischen den Provinzen zu schlichten sucht, drehten die Greifin und Markgraf Paligan den Spieß einfach um: Wenn die garetische Krone sich schon auf ein altes und verstaubtes Recht berufe, dann könne man dies schon lange. Und so warben sie bei ihren Standesgeschwistern, den garetischen Grafen, darum eben jenes von König Bodar gewährte „Große Kabinett“ einzuberufen, um ihren gemeinsamen Ratschluss über die Verteilung der Landwehrregimenter, vor allem aber über die Person des gemeinsamen Marschalls, zu treffen und der Königin Garetiens zu überreichen.
Das Große Kabinett und seine Tjoste
Zum ersten Mal forderten die Grafen Garetiens von ihrem König, dass er ihnen Gehör schenke und ihren Ratschlag anhöre, als Reichskanzler Randolph von Rabenmund die Grafschaften Ochsenwasser, Wehrheim und Rommilys aus dem Königreich herauslöste und als Fürstentum Darpatien unter seiner Herrschaft vereinigte. Der König, obwohl er es nicht musste, gewährte seinen Vasallen diesen Wunsch. Er rief alle Adligen des Königreiches zusammen und forderte sie auf, ihm binnen fünf Tagen ihren Ratschluss zu überreichen. Seinen Grafen jedoch, die dem König dieses Recht abgetrotzt hatten, untersagte er die Teilnahme an dem Kabinett. Auf dem Kabinett nun beratschlagt sich der gesamte Adel des Königreichs Garetiens und übergibt der Königskrone einen Ratschlag, den es aus einem Mehrheitsvotum gebildet hat.
Denn auch wenn es nur einen einzigen Götterfürsten gibt, der die unangezweifelte Herrschaft über Alveran und Dere ausübt, so obliegt es doch Hesindes Weisheit, ihm mit ihrem Ratschlag zur Seite zu stehen. Da nun der Mensch zwar nicht über die Weisheit einer Göttin verfügt, aber doch mit seinem Verstand an der göttlichen Vernunft teilhat, offenbart sich ein wahrhaft vernünftiger Ratschlag in der gemeinsamen Abstimmung. Denn hier wägen sich die verschiedenen Facetten einer Sache ohne die trügerische Meinung einer einzelnen Person im Geist der Göttin ab.
Besonderes Aufsehen genießt das große Turnier, das zeitgleich zum Großen Kabinett zwischen den Adligen der drei Provinzen abgehalten wird. Denn der Sieger dieser Tjoste hat sich mit seinem Sieg über alle seine Kontrahenten den Titel des „Achtbarsten Ritters Garetiens“ verdient und darf seiner Königin den gemeinsamen Ratschluss des Adels unter vier Augen überreichen.
Großgaretischer Marschall, Landwehrregimenter und Kriegssteuer
Für einen Krieger und Ritter ist es wohl die größte Ehre, die er zu Lebzeiten erfahren kann, als Marschall den obersten Befehl über die vereinten Truppen des Königreichs Garetien und der beiden Markgrafschaften Greifenfurt und Perricum zu führen. Glorreiche Namen wie Darbin vom Berg, welcher 902 BF in der siegreichen „Schlacht von der zwei Brücken“ gegen den tobrischen Herzog und selbsternannten Kaiser Kunibrand von Ehrenstein fiel, oder Dexter Nemrod, der als garetischer Marschall heldenhaft gegen die Orken auf den Silkwiesen kämpfte, hat dieses Amt bereits gesehen, aber auch zwielichtige Adlige wie den Erzverräter Udalbert von Wertlingen oder glücklose Verlierer wie Rondrasil von Hartsteen, der durch die Machenschaften seines Vorgängers in diesem Amte, Reichsverweser Tedesco von Perricum, unter fadenscheinigen Anschuldigungen seine Grafschaft verlor.
Seit der Urkunde von Ochsenblut wird das Amt des obersten garetischen Feldherren nur noch in Kriegszeiten besetzt. Der letzte Adlige, dem diese Ehre zuteil wurde, ist der Oberst der Goldenen Lanze, Ugo von Mühlingen, der damit als Favorit in die Abstimmung geht. Aber aus den Reihen des garetischen, greifenfurtischen und perricumschen Adels haben bereits einige kühne Recken ihren Anspruch auf den Feldherrenstab erhoben, unter ihnen der Rittmeister der Mark Greifenfurt Urion von Reiffenberg, der Heermeister der Mark Perricum Aldron von Firunslicht, der Waldsteiner Baron Wulf von Streitzig j.H., der Hartsteener Kronvogt Hadrumir von Schwingenfels und der Garether Stadtritter Balrik von Keres.
Die Aushebung eines Landwehrregiments von 500 Bewaffneten ist für jede Grafschaft mit hohem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Unbestätigten Gerüchten aus der Staatskanzley sollen insgesamt zwölf (heilig!) Regimenter für den Krieg gegen den Erzverräter Haffax vorbereitet werden, die sich auf die sechs Grafschaften und die beiden Markgrafschaften verteilen. Diesen Gerüchten zufolge plant die Krone weiterhin eine außerordentliche Kriegssteuer von 15 Silbertalern pro Kopf.
Die Addenda der Grafschaften: Die weiteren Themen des Kabinetts
Die Besonderheit des Großen Kabinetts besteht darin, dass die einzelnen Grafschaften das Recht besitzen, ihnen wichtige Themen der Abstimmungsliste hinzuzufügen, über die sie eine Abstimmung wünschen. Häufig wird die Zustimmung zu einem Hauptthema mit diesen Addenden verbunden, was in der Vergangenheit auf den Kabinettstreffen zu einem phexischen Geschacher führte. Es galt stets der Grundsatz: „Eine Hand wäscht die andere“, wer also die Stimmen seiner Standesgenossen für eine ihm am Herzen liegende Angelegenheit wollte, musste sich dafür im Gegensatz erkenntlich zeigen und sich seinerseits für eines der vielen Addenden der Grafschaften einsetzen.
Auf dem diesjährigen Kabinett war es die Grafschaft Hartsteen, welche die Liste der Nebenthemen eröffnete. Da der Zusammenbruch der Rabenbrücke, wo die Reichsstraße von Perricum nach Gareth und Rommilys über die Natter geht, eine erhebliche Behinderung des Handelsverkehrs hervorruft, zugleich aber die von der Natterndorner Fehde stark gebeutelten Ritter und Junker durch die Sondersteuer des Verwesers Alrik vom Blautann und vom Berg nahe am finanziellen Ruin stehen, ist es der ausdrückliche Wunsch des neuen Grafen von Hartsteen, dass die Königskrone sich vehement für die Wiedererrichtung der Brücke, deren Hoheit in Rommilys liegt, einsetzt.
Das Addendum der Grafschaft Schlund dagegen kann als klare Gegenposition aufgefasst werden. Denn da nun die Warenströme von Perricum nach Gareth über Wandleth laufen, fordert Graf Ingram die verlorengegangenen Stapelrechte der Königsstadt zurück. Die Krone hat bereits zu verstehen gegeben, dass sie nicht beiden Anliegen entsprechen können wird. Ebenfalls unter finanziellen Sorgen leidet die Grafschaft Eslamsgrund, deren Wunsch es ist, dass die Königskrone die Schulden übernehme und somit die Grafschaft entschulde mit der Begründung, dass die Grafschaft unter den Sonderzahlungen für die vergangenen Kriege, insbesondere für die Heerfahrten in die Wildermark, sowie unter den doppelten Zehnten für die Praios-Kirche und deren Gliederungen stark belastet gewesen sei. Hinzu kommend sei der Grafschaft alle Last aus der almadanischen Sezession aufgebürdet worden.
Aus der Markgrafschaft Perricum dagegen vernimmt man die Forderung, dass den erheblichen Forderungen der Reichsstadt am Darpat nicht nachgekommen werde. Diese nämlich forderte die Königin auf, entweder die Lande Perrinmarsch oder die Stadt Dergelmund der Obrigkeit des Stadtrates zu übereignen.
Die Markgrafschaft Greifenfurt und die Grafschaft Waldstein dagegen setzen sich gemeinsam für den Ausbau der durch den Reichsforst führenden Straße von Eslamsroden nach Tannwirk ein und fordern von der Krone die Kosten dieses „Elfenpfades“ zu übernehmen mit der Begründung, dass der Weg über Wehrheim in den letzten Jahren zu gefährlich geworden sei und man den Händlern eine sichere Route zur Verfügung stellen wolle.
Bosper Schweinshut (JS)
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